Die da oben - Innenansichten aus deutschen Chefetagen
einen, mal auf der anderen Seite die energiepolitischen Weichenstellungen der Bundesrepublik mit. In den 1980 er Jahren war er für Veba, die heute EON heißt, maßgeblich daran beteiligt, dass die Atomaufbereitungsanlage im bayerischen Wackersdorf geschlossen wurde. Als Wirtschaftsminister im ersten Kabinett von Bundeskanzler Gerhard Schröder verhandelte er den Atomausstieg. Als Chef der Ruhrkohle AG ( RAG ) besiegelte er schließlich das Ende der Steinkohleförderung in Deutschland.
Werner Müller bittet in sein Büro im Essener Stadtteil Rüttenscheid, in dem alles ganz neu aussieht, er arbeitet auch noch nicht lange hier. Ende 2008 , als sein Vertrag als Vorstandschef der Evonik Industries AG auslief, ist er aus dem Hochhaus der Firmenzentrale ausgezogen, zu seinen verbliebenen Ämtern zählt der Vorsitz des Aufsichtsrats der Deutschen Bahn.
Müller setzt sich auf ein Ledersofa und stützt die Ellbogen auf seine Knie. Er spricht sehr langsam, leise und meist nur in Andeutungen. Er gilt als der Stratege unter Deutschlands Managern. Man merkt, dass er diesen Ruf genießt.
Fast wären Sie Pianist geworden und nicht Manager.
Neben meinem Volkswirtschaftsstudium, von dem ich nicht den Eindruck hatte, dass es mich auslastete, verbrachte ich ein paar Semester an der Musikhochschule in Mannheim.
Ihre Hände, heißt es, hätten nicht mitgespielt.
Bei Auftritten begannen sie zu zittern. Die rechte stärker als die linke. Und das hörte sich dann so an, als hätte ich das, was ich vorspielen wollte, nie geübt.
Was war es: Lampenfieber?
Ich weiß es bis heute nicht.
Sie hören noch immer viel klassische Musik, selbst bei der Arbeit.
Meistens das Bachsche Klavierwerk. Bach können Sie als Hintergrundmusik plätschern lassen oder konzentriert zuhören. Beethoven-Sonaten kann ich eigentlich auch immer hören. Für Schubert muss man schon in der Stimmung sein.
Es wird erzählt, dass Sie Mitarbeitergespräche mitunter stimmungsvoll inszenierten. Sie legten klassische Musik auf, steckten sich einen Zigarillo an und eröffneten dann Ihrem Gegenüber, dass er gefeuert ist.
Ich erinnere mich an keinen solchen Fall. Nein, das stimmt so nicht. Die Klaviermusik läuft bei mir immer, auch dann, wenn ich jemandem sage: Wir trennen uns. Aber ich zelebriere oder inszeniere da nichts. Außerdem spricht gegen die Richtigkeit der Geschichte, dass ich in dem Sinne keinen rausgeworfen habe …
… 22 der 25 Vorstände der RAG und ihrer Tochterfirmen.
Man hat sich getrennt. Nur eine einzige Trennung habe ich mal inszeniert: Der Aufsichtsrat hat, auf mein Bitten hin, einen Vorstandsvorsitzenden eines Teilkonzerns zwei Tage vor der Führungskräftetagung fristlos entlassen. Das habe ich aber ganz normal mit ihm besprochen. Nur der Zeitpunkt war so inszeniert, dass er auf der Führungskräftetagung nicht mehr da war. Das war die Tagung, auf der ich gesagt habe: »Für unseren Konzern gelten dieselben Regeln wie für das Fahren auf Autobahnen. Nicht nur die Höchst-, auch die Mindestgeschwindigkeit einhalten, innerhalb der Leitplanken, und Geisterfahrer werden sofort eliminiert.«
Was wollten Sie damit sagen: Sollten Ihre Mitarbeiter begreifen, dass sie sich mehr anstrengen müssen?
Ich musste ein bisschen Zug in den Laden bringen. Man darf nie vergessen, bis Ende der 1990 er Jahre war es der RAG quasi verboten, Gewinn zu machen. Bis dahin galt der Grundsatz: Wenn irgendwo Gewinn entstand, wurde er sofort bei den Steinkohlesubventionen abgezogen. Wer Gewinn machte, galt deshalb in dem Unternehmen als störend. Meine Vorgänger haben von den Überschüssen ein barockes Firmensammelsammelsurium zusammengekauft: von Autowaschanlagen bis Fertighausfabriken. Helmut Kohl hatte bereits 1998 die Subventionsgesetze richtigerweise geändert. Das hatte sich aber noch nicht so richtig herumgesprochen.
Ist es nötig, als Manager hin und wieder öffentlich seine Macht zu demonstrieren?
Öffentlich – weiß ich nicht. Unternehmensintern manchmal schon. Wenn man gute Mitarbeiter hat, sagen die einem, wenn gerade mal wieder irgendwer irgendwo eine kleinere Revolution andenkt. Dann muss man schon einschreiten. Das war bei dem Vorstandsvorsitzenden, von dem ich eben sprach, der Fall.
Haben Sie Machiavelli gelesen?
Ja.
Und?
Ganz nett.
Irgendwelche Lehren daraus gezogen für Ihre Arbeit?
Ich habe ihn relativ spät gelesen. Ich fühlte mich mehr bestätigt: So macht man das halt.
Machiavelli sagt: Man muss die Menschen entweder verwöhnen oder
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