Die da oben - Innenansichten aus deutschen Chefetagen
Vorstandsteam die richtigen Leute auszuwählen und die zu motivieren. Also die erste und zweite Managementebene, Geschäftsführer, Bereichsleiter. Mit denen vereinbaren wir Arbeitsprogramme und Ziele, auf die muss ich mich absolut verlassen können. Sonst funktioniert das System nicht. Sie dürfen da nicht versuchen, selber im Detail zu arbeiten und den Leuten ständig ins Operative hereinzupfuschen.
Woran merken Sie dann, ob sich im Unternehmen etwas verändert? Durch Unternehmenszahlen, Statistiken?
Ja, natürlich durch Zahlen, Fakten und Berichte. Und auch durch Zuschriften. Am Anfang habe ich in der Woche 1000 bis 2000 Briefe und E-Mails von Leuten bekommen, die fuchsteufelswild waren …
… an Ihre E-Mail-Adresse im Büro …
… bei uns im Büro ist es so organisiert, dass ich auf den E-Mail-Posteingang Zugriff habe, also nicht nur alles »vorgefiltert« bekomme. Ich lese nicht alles, das ist unmöglich, aber besonders am Anfang habe ich so viel wie möglich direkt gelesen.
Auch Mails, in denen Sie beschimpft wurden?
Ja, auch. Sie bekommen dann das Spektrum der gesellschaftlichen Stimmung mit. Von aggressiv-beleidigend bis konstruktiv-kritisch. Aber so kriegen Sie ein besseres Gefühl für das Unternehmen. Die E-Mails, Mitarbeiter- und Kundengespräche sind ein gutes Barometer dafür, ob die ganzen Berichte mit der Realität da draußen einigermaßen übereinstimmen. Vieles was beim Vorstand landet, ist ja in Hochglanz aufbereitet – davon darf man sich nicht blenden lassen. Ein anderes Barometer ist der Aktienkurs.
Der einfach nicht steigt.
Da sind alle genervt. Auch wir. Beim Aktienkurs geht es ja um die erwartete Rendite unseres Unternehmens. Wenn man hart arbeitet und gute Fortschritte macht, was mit Zahlen belegbar ist, dann ist das schon schwierig, damit umzugehen.
Die Welt, in der Sie sich bewegen, wirkt hermetisch: Vorstandssitzungen, E-Mails, der Aktienkurs …
Ist sie aber nicht. Ich bin oft in Kontakt mit Mitarbeitern draußen oder hier in unserer Zentrale in Bonn. Da gehe ich, wann immer Zeit ist, auch in die Kantine und setze mich zu denen. Manchmal schaue ich auch in den Niederlassungen vorbei oder in unseren Telekom-Shops.
Wie häufig machen Sie das?
Eher beiläufig, alle paar Wochen. Wenn ich an einem Samstag einkaufen gehe, dann kucke ich mal rein. Oder zwischen anderen Terminen im In- und Ausland.
Werden Sie sofort erkannt?
Wenn ich direkt auf die Mitarbeiter zugehe, dann meist schon. Im Ausland ist das anders. Besuche ich zum Beispiel in Boston eines unserer Geschäfte, heißt es – wenn überhaupt – erst beim zweiten Hinsehen: »You’re from Gemany, I’ve seen you somewhere before.«
Und wenn Sie mal nicht erkannt werden wollen, an einem Samstagvormittag in Berlin, dann setzen Sie eine Sonnenbrille auf?
Ich bin Gott sei Dank nicht so bekannt. Ab und zu werde ich mal angesprochen von Leuten, die die Wirtschaftspresse lesen.
Hat sich das geändert, seitdem Sie mit der Moderatorin Maybrit Illner zusammenleben?
Die Maybrit ist bekannter, es ist aber nicht so, dass wir belagert werden. Wir können ein ziemlich normales Leben führen. Wir sind auch viel in Bonn, der Rheinländer an sich ist nämlich ganz locker.
Sie haben auch eine Wohnung in Berlin. Dort können Sie sich mit Frau Illner einfach in ein Restaurant setzen?
Klar. Oder wir gehen in ganz normale Kneipen oder auch schon mal in Clubs.
Werden Sie von Sicherheitsbeamten begleitet?
Sagen wir es so: Ich fühle mich gut geschützt.
Bekommen Sie Morddrohungen?
Kam schon mal vor.
Machen die Ihnen Angst?
Eigentlich weniger. Ich kann das auch ganz gut verdrängen.
Sie funktionieren sozusagen.
Es gibt schon Situationen, da denke ich darüber nach. Wenn man in eine Demonstration reingeht und sich dahinstellt und zu Menschen spricht, die aufgebracht und sauer sind. Aber die allermeisten Menschen sind nicht gewaltbereit, sondern friedlich
Haben die Drohungen seit der Affäre um die Bespitzelung von Mitarbeitern bei der Telekom zugenommen?
Habe ich nicht bemerkt, irgendetwas war in den letzten Jahren ja immer: Doping im Team Telekom, ein riesiger Streik, Datenklau, Bespitzelungsaffäre – das nimmt einen selbst ziemlich mit.
Im Zusammenhang mit der Auswertung von Telefondaten sprechen die Medien meist von der »Spitzelaffäre«. Was ist Ihre Bezeichnung?
»Spitzelaffäre« trifft es. Es ging um Bespitzelungen, und es ist eine Affäre, eine ziemlich dicke sogar.
Manfred Balz, der für Datenschutz zuständige
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