Die da oben - Innenansichten aus deutschen Chefetagen
Managementliteratur gelesen?
Die lese ich sogar gerne.
Wann haben Sie damit begonnen?
Als ich zu BASF kam, vor gut 30 Jahren. Vorher nicht. Ich habe in der Forschungsabteilung begonnen, und als Naturwissenschaftler setzen Sie sich eher weniger mit wirtschaftlichen Fragen auseinander. Etwas praktische Erfahrung hatte ich schon bei meinen Eltern gesammelt. Wir hatten ein kleines Malergeschäft, und meine Mutter hat sich um die Betriebsführung gekümmert. Wenn Angebote abgegeben wurden, habe ich die oft für meine Eltern durchgerechnet. Aber richtige Betriebswirtschaft habe ich weder dort noch im Studium gelernt.
Sie haben sich die dann bei BASF selber beigebracht?
Ja, erstmal ganz freiwillig. Ich war ja mehr als neun Jahre in der Forschung, ohne wirklich in der Hierarchie aufzusteigen. Ich war ein begeisterter Forscher, ständig auf der Suche nach neuen Lösungen.
Steht das Labor noch, in dem Sie angefangen haben?
Natürlich. Klar! Das ist das große Gebäude da drüben – B 1 , unser großes Polymer Research Center.
Damals stank es in der chemischen Industrie noch richtig.
Wenn es stinkt und kracht, ist man in der Chemie. So die öffentliche Meinung, nicht nur für einen Chemiker hat das eine gewisse Faszination. Während des Studiums habe ich das Werk hier mal besucht. Da habe ich mir gesagt: »Zur BASF gehe ich nie!« Das war damals die Basischemie, bei der die Schlote noch richtig rauchten. Ich bin dann trotzdem hier gelandet, weil mich die Menschen überzeugten. Das ist bis heute so.
Damals war die Chemie aber vielen unheimlich. Die chemische Industrie wurde durch Störfälle und eigene Fehler zum Feindbild.
Für mich als Chemiker war es eine Riesenherausforderung, den Wandel unserer Branche aktiv mitzugestalten. Und die Industrie hat sich enorm verändert, es gibt kein Chemiewerk auf dieser Erde, das in Fragen der Umweltverträglichkeit besser gemanagt ist als unser Werk in Ludwigshafen.
Sie waren Forscher, jetzt sind Sie Top-Manager. Das sind zwei völlig unterschiedliche Geisteshaltungen.
Das täuscht. Naturwissenschaftliche Forschung ist absolute Disziplin und unterliegt einem klaren Prozess. Das systematische Abarbeiten von Projekten lernt man in den Naturwissenschaften von Anfang an.
Anders als beispielsweise bei den Geisteswissenschaften.
Naturwissenschaft ist nicht bodenlos, die hat und gibt immer einen Halt. »Proof of concept« heißt das in der Chemie: Funktioniert der Lösungsansatz? Denn bei der chemischen Reaktion kann es sein, dass bei einem falschen Ansatz nur fünf Prozent des gewünschten Wertprodukts entstehen.
Das dürfte Ihnen als Manager nicht passieren.
Das sollte möglichst nicht passieren. Deshalb: »proof of concept«. Auch im Management brauchen Sie von jedem Schritt auf den nächsten Ausschlusskriterien. Dabei verändert die Globalisierung das Bild dramatisch und viel schneller als in der Vergangenheit. Früher konnte man sicherer sein als heute. Dass man aber total den falschen Weg beschreitet, ist bei sorgfältiger Analyse kaum der Fall. Eine andere Stärke der Naturwissenschaftler ist, dass sie zur Selbstkritik erzogen werden. Im Studium wird ihnen beigebracht, alles zu hinterfragen: »Quod erat demonstrandum« als Kultur.
Sie haben in Tübingen studiert, begonnen 1968 , kam die Revolution auch in den Naturwissenschaften an?
Die Zeit war von den Studentenprotesten geprägt. Nicht ganz so wie in den Geisteswissenschaften, aber wir haben auch protestiert. Wir haben die Leute von der Vorlesung abgehalten, indem wir ein Bierfass aufgemacht haben, es war mehr »happening«-artig.
Gegen den Muff in den Talaren?
Das war in der Chemie anders. Wir hatten Vorlesungen mit den besten Professoren, da waren Nobelpreisträger darunter. Und das Studium war Gott sei Dank relativ verschult; wir mussten schon darauf achten, dass wir die Prüfungen hinbekamen. Und die Hochschulprofessoren damals waren relativ locker, obwohl sie eigentlich zu der alten Generation gehörten. Die haben gesagt: »Bringt doch das Bier rein in den Lehrsaal! Ich trinke gerne auch eins mit!« Das hat mich beeindruckt.
Die Achtundsechziger hatten ja vor allem eine kulturelle Dimension, in der Musik, im Aussehen …
Da gehörten auch die Chemiker dazu … ich habe relativ lange Haare gehabt, auch Koteletten und Bart.
Aber die Haare gingen nicht bis zur Schulter.
Das nicht, weil die sich dann so wellen.
Was haben Sie für Musik gehört?
Beatles, Rolling Stones, Beach Boys, auch Doors. Manfred Mann,
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