Die da oben - Innenansichten aus deutschen Chefetagen
Sachverhalte einleuchtend und sehr verständlich erklären muss. »Kapital ist scheu wie ein Reh«, hat André Kostolany gesagt. Aber die Arbeit mit dem Analysten hat ja immer auch eine menschliche Seite. Eine erste Begegnung mag schwierig sein, aber wenn man trotzdem positiv auf ihn zugeht, dann sind die Folgetreffen oft recht erfreulich.
Trotzdem scheint klar, wer Koch und wer Kellner ist. Die Würde des Managers ist also nicht unantastbar.
Kein Dienst für den Aktionär ist a priori unwürdig. Ein Chef ist immer auch zugleich Diener.
Jürgen Hambrecht
»Wer in meiner Position Angst hat, ist fehl am Platz«
Ludwigshafen, eine sterbende Stadt. Am Bahnhof halten nur noch Regionalzüge. In den Geschäftsstraßen Billig-Supermärkte und Zu-vermieten-Schilder. Eine vierspurige Schnellstraße führt zur BASF hinaus. Durch eine Fußgänger-Unterführung geht es hindurch, an einer Pforte vorbei, an der man einen Zettel bekommt, darauf wird gewarnt, im Störfall nicht durch Pfützen zu laufen. Man betritt das Betriebsgelände des größten Chemieunternehmens der Welt.
Jürgen Hambrecht, der Vorstandsvorsitzende, sitzt in einem wuchtigen Backsteinbau aus der Gründerzeit, gleich hinter dem Eingang. Hambrecht hat graue, borstige Haare, eine kräftige Nase und scharf gezogene Falten im Gesicht. Ein drahtiger, schwäbelnder, scherzender Mann, der an diesem heißen Sommertag ein kurzärmeliges Hemd und Schuhe aus geflochtenem Leder trägt.
Hambrecht hat 1976 schräg gegenüber dem Verwaltungsgebäude begonnen: als Chemiker im Kunststofflabor der BASF . 2003 wurde er Vorstandsvorsitzender. Sein Chefbüro: beige gemusterter Teppichboden, chinesische Kunst an der Wand und eine Schale mit zwei Bananen und einem Apfel. »Mein Mittagessen«, sagt er. Auf einem kleinen Tisch hat er die Auszeichnungen, die ihm verliehen wurden, wie Trophäen ausgestellt: unter anderem als »Manager des Jahres 2005 «. In Umfragen wird er regelmäßig zum vertrauenswürdigsten deutschen Manager gewählt. Doch im vergangenen Jahr erlebte Jürgen Hambrecht, wie die Krise in sein zuvor so gesundes Unternehmen eindrang. Nach dem Interview, am Nachmittag, wird er verkünden, dass 3700 Stellen beim Tochterunternehmen Ciba gestrichen werden müssen.
Erinnern Sie sich noch an den Tag, an dem die Investmentbank Lehman Brothers zusammenbrach?
Sehr gut, es war ein Montag. Wir hatten zu einer Pressekonferenz nach Zürich eingeladen, um die geplante Übernahme des Schweizer Chemieunternehmens Ciba bekannt zu machen. Ich bin früh aufgestanden, um nach Zürich zu fliegen, und hatte noch kein Radio gehört. Vom Zusammenbruch von Lehman erfuhr ich erst, als wir dort waren.
Ahnten Sie da schon, welche Folgen der Zusammenbruch von Lehman Brothers haben würde?
In einer kurzen Besprechung vor unserer Pressekonferenz stimmten wir uns darauf ein, dass Lehman die Nachrichten des Tages bestimmen würde. Wir würden deshalb nicht die Aufmerksamkeit in den Medien bekommen, die wir angesichts der Bedeutung von Ciba für die Schweiz erwartet hatten. Aber die Pressekonferenz zu verschieben kam nicht in Frage, wichtige Verträge waren bereits am Wochenende unterschrieben worden.
Die fehlende Aufmerksamkeit für Ihre Übernahme von Ciba erwies sich als marginales Problem. Die Krise der Weltwirtschaft, die die Lehman-Pleite auslöste, bekam auch BASF zu spüren.
Mir war schon bewusst, dass der Zusammenbruch dieser Bank ein größeres Risiko darstellt als die Pleite eines normalen Unternehmens. Aber dass sie so weitreichende Konsequenzen für die gesamte Wirtschaft haben würde, das habe ich damals noch nicht geahnt. Erst ein paar Monate zuvor hatte ich zum ersten Mal von den so genannten »Collateralized Debt Obligations« gelesen, die dann später zum Kollaps führten. Damals habe ich sogar überlegt: »Ist das etwas für uns?«
Als Chemieunternehmen?
Wir nutzen ja auch Hedging-Instrumente bei uns, zum Beispiel um unsere Rohstoffeinkäufe abzusichern. Wenn man dann von Finanzprodukten liest, die in keiner Bilanz auftauchen, kommt der kreative Moment des Managements ins Spiel, in dem man sagt: »Menschenskind, wie würde es denn aussehen, wenn wir so etwas schaffen?« Unsere Finanzabteilung hat das dann analysiert und festgestellt: das macht für uns keinen Sinn.
Wann spürten Sie, dass auch BASF massiv von den Folgen der Finanzkrise betroffen ist?
In einigen Geschäftsbereichen gingen die Aufträge schon Ende September, zwei Wochen nach der Lehman-Pleite, Zug um
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