Die da oben - Innenansichten aus deutschen Chefetagen
Zug nach unten.
Wie kann es sein, dass sich die Finanzkrise so schnell in Ihren Auftragsbüchern niederschlägt?
Die Automobilbranche saß schon vor der Lehman-Pleite auf unglaublich hohen Lagerbeständen. In den USA waren Autos für ein halbes Jahr vorproduziert worden und standen auf Parkplätzen herum. Die Krise hatte sich schleichend angekündigt. Ich lese sehr viel, den Economist , andere wichtige Wirtschaftsmedien bis hin zu Chemiefachzeitschriften. Da hatte ich schon ein halbes Jahr zuvor eine leise Ahnung. Das Schwierigste damals war, den Mitarbeitern klarzumachen, dass wir in schwere See geraten. Wir hatten im Sommer 2008 noch volle Auftragsbücher. Der Juli war der beste Monat überhaupt. Nach dem Schock der Lehman-Pleite senkte die Automobilindustrie ihre Produktion dramatisch. Das kommt dann ganz schnell bei uns an.
Wie ging es Ihnen, als Sie die Zahlen sahen?
Wir mussten unsere Arbeitsschwerpunkte verschieben: Man muss dann schnell handeln, darf auf keinen Fall warten. Vorräte wurden verringert, Produktionskapazitäten angepasst. Dazu mussten wir viele Anlagen herunterfahren, manche sogar vorübergehend ganz schließen.
Ihre Geschäfte brachen zum Teil um 30 Prozent ein. Gab es Momente, in denen Sie Angst hatten, wie es weitergeht?
Wer in meiner Position Angst hat, ist fehl am Platz. Als ich einmal im Flugzeug über Hongkong saß und drei von vier Triebwerken ausfielen – da hatte ich Angst.
Was ist das für ein Gefühl?
Eine wahnsinnige Anspannung des ganzen Körpers. Kurz nach dem Start rumpelte es im Flugzeug wie verrückt. Dann war es plötzlich merkwürdig ruhig. Ich dachte erst, alle Koffer wären herausgeflogen. In meiner Nähe saßen noch drei oder vier andere Passagiere. Und weil die Stewardess nicht mehr zu sehen war, habe ich nach ihr gerufen. Sie sagte, sie müsse sich erst selbst erkundigen, was vorgefallen sei, ließ sich dann nicht mehr blicken. Das Flugzeug hat die ganze Zeit Kreise gezogen. Nach fast einer Stunde haben die Piloten mitgeteilt, dass Triebwerke ausgefallen seien, wir müssten wieder landen. Ich dachte nur: »Hoffentlich kriegen die das hin!« In einer solchen Situation hat man Angst, nicht aber an der Spitze eines Unternehmens. Dort führen Angst und Panik zu Fehlentscheidungen.
Als Manager wird man in der Krise von jemandem, der ein Unternehmen aufbaut, zu einem, der ein Unternehmen bewahren muss. Sind die Managementtechniken so abstrakt, dass sie immer angewendet werden können, egal, ob es rauf oder runter geht?
Ich habe Erfahrungen in beidem, im Aufbauen und im Restrukturieren. Natürlich baut man lieber auf, als dass man restrukturiert. Aber auch in der Krise brauchen Sie beides. Es geht darum, die Produkte und Arbeitsgebiete zu entwickeln, die BASF in zehn Jahren prägen werden. Damit dürfen Sie auch in der Krise nicht aufhören. Wir haben in den vergangenen drei Jahren mehr als 900 Millionen Euro, also rund ein Viertel der gesamten Forschungskosten, in die Forschung und Entwicklung von Zukunftsprodukten und -technologien investiert; das werden wir auch weiterhin tun. Bereits ab 2015 soll das Umsätze von mehr als zwei Milliarden Euro pro Jahr bringen.
Tatsächlich ist diese Krise doch auch eine Krise der Gewissheiten: Banken sind zusammengebrochen, erfolgreiche Unternehmen wie Porsche verlieren ihre Eigenständigkeit.
Natürlich gibt es Situationen, da wird einem klar: jetzt sitzen wir im Loch. Aber gleichzeitig wissen Sie: der nächste Aufschwung kommt bestimmt – das ist eine Erfahrung, die macht man einfach als Manager. Bis dahin fahren wir dann auf Sicht, das bedeutet, Geschwindigkeit herauszunehmen, um die Konturen Ihrer Umgebung zu erkennen.
Macht Sie das manchmal ratlos?
Ratlos macht mich eher die Euphorie, die schon wieder zu hören ist. Wir diskutieren die Krise nicht nur bei BASF vorwärts und rückwärts, und manchmal frage ich mich: »Was sehen andere, was wir nicht sehen?« Wenn ich jetzt die Ersten reden höre, die Krise sei bald vorbei, dann bin ich schon perplex.
Sie gelten in der Beurteilung der Krise in Wirtschaftskreisen als Schwarzmaler.
Im Moment bin ich offenbar der große Pessimist. Dabei ist das wirklich Unsinn. Aber wenn heute ein Realist schon als Pessimist gilt, muss ich damit leben. Als Chemieunternehmen hat BASF praktisch mit Kunden aus allen produzierenden Industrien zu tun, von der Ernährung über die Kosmetik und Hygiene bis zum Autohersteller und den Bauunternehmen. Wir haben ein feines Gespür dafür, was sich in
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