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Die Daemmerung

Die Daemmerung

Titel: Die Daemmerung Kostenlos Bücher Online Lesen
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Boden.

    Briony mochte den Großen Garten von Weithall ohnehin nicht besonders, weil er so streng und formell war, aber heute schien er ihr gänzlich öde und bedrückend.
    Es war weniger die Größe — obwohl der Garten viele Morgen Land umfasste — als das Gezähmte, Kontrollierte, das dieser Ort an sich hatte. Von den Ziersträuchern und -bäumen war keiner größer als mannshoch, die meisten waren viel kleiner. Dazwischen gab es nur geometrisch angelegte, niedrige Buchsbaum-Hecken und konzentrisch bepflanzte, kreisrunde Blumenbeete. Von jedem Punkt des Gartens aus konnte man den ganzen Rest überblicken, einschließlich aller übrigen Anwesenden. Vielleicht gefiel das ja den Tessiern, aber sie hätte etwas mehr Intimität vorgezogen, zumal jetzt, da sie das Gefühl hatte, auf Schritt und Tritt von böswilligen Augen beobachtet zu werden. Der viel kleinere Palastgarten zu Hause hatte mehrere kleine Hügel und hohe Baumgruppen, was ihn faktisch in lauter getrennte Bereiche unterteilte — eine Miniaturwelt hatte ihn ihr Vater einst genannt. (Er hatte es im Ärger gesagt, weil Teile der Anlage verwildert waren, aber es stimmte dennoch.)
    »Entschuldigt, dass ich Euch warten ließ, Prinzessin.« Als Eneas hinter dem Skriptorium hervortrat, hatte Briony kurz die Vision von einer Armee käferschwarzer Priester, die, Seite an Seite an den langen Tischen sitzend, emsig vor sich hinkritzelten. »Zumal in einer so schlimmen Situation. Ich kann Euch gar nicht sagen, wie sehr es mich betrübt und beschämt, dass so etwas am Hofe meines Vaters passiert — und gleich zweimal? Bitte sagt mir, wie geht es Fräulein e'Doursos?«
    »Sie wird durchkommen, sagt der Arzt, den Göttern sei Dank ... aber ihre Genesung wird lange dauern.« Wohl zum hundertsten Mal in den letzten paar Stunden unterdrückte Briony die Tränen. Sie war so müde, dass sie sich fühlte, als wäre sie aus zerbrechlichstem Glas. »Es war knapp. Ich habe die ganze Nacht an ihrem Bett gesessen, während sie immer wieder vom Fieber geschüttelt wurde. Mehrmals dachte ich schon, wir würden sie verlieren, doch anscheinend hat der spitz zugefeilte Teil der Schließe ihre Haut nur leicht geritzt, oder vielleicht war auch das Gift nur schwach.« Briony konnte sich immer noch nicht vorstellen, wer sie diesmal zu ermorden versucht hatte. Jenkin Krey würde nach dem Denkzettel, den er erhalten hatte, so etwas sicher nicht noch einmal wagen, aber wenn es nicht der Tolly'sche Gesandte gewesen war, wer dann?
    »Dann müssen wir den Drei Brüdern für dieses Glück im Unglück danken.« Eneas bot Briony seinen Arm. »Möchtet Ihr ein paar Schritte mit mir gehen? Ich kann das Geräusch kratzender Federn nicht mehr ertragen. Jede Garnison zwischen Hierosol und hier habe ich schriftlich über den Angriff des Autarchen informiert. Ein verdammter Berg Arbeit.« Er errötete ein wenig. »Nicht dass ich all die Kopien selbst hätte anfertigen müssen, den Göttern sei Dank!« Er sprach schnell weiter, als hätte er Angst, Stille aufkommen zu lassen. »Ich muss mir einen dieser Schreibapparate beschaffen, die die Pamphletschreiber und Dichter benutzen — Stempelapparat müsste man es eigentlich nennen, denn es funktioniert, indem es Buchstaben und Wörter stempelt, so wie ein königliches Petschaft ein Siegel in Wachs stempelt. Damit könnten Befehle unsere Feldherren viel schneller erreichen ...« Er schüttelte den Kopf. »Ich schwatze daher, wenn Ihr gerade knapp einem Anschlag auf Euer Leben entkommen seid!«
    »Einem Anschlag, der mir keinerlei Schaden zugefügt hat.«
    Er runzelte die Stirn. »Ihr sagt das, als wünschtet Ihr, er wäre gelungen.«
    Briony schüttelte den Kopf, obwohl selbst diese kleinen Bewegungen fast über ihre Kräfte gingen. »Nein, Prinz Eneas, das wünsche ich natürlich nicht. Aber es ist mir schrecklich, dass eine andere an meiner Stelle leidet.«
    »Ihr seid eine bewundernswerte Frau, Briony Eddon. Ich verspreche Euch, ich werde alles in meiner Macht Stehende für Eure Sicherheit tun. Ich werde Euch noch mehr von meinen Leibgarden schicken. In ganz Syan gibt es keine loyaleren Männer.«
    »Davon bin ich überzeugt, Hoheit«, erwiderte sie, »doch gegen Gift vermögen selbst die besten Soldaten wenig.«
    Er schien bestürzter als Briony selbst. »Aber
irgendetwas
müssen wir doch tun. Dies ist ein empörender Frevel, Prinzessin, eine tödliche Beleidigung meines Vaters, eine Entehrung seines Namens und des Throns. Hier an unserem eigenen Hof!«

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