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Die Daemmerung

Die Daemmerung

Titel: Die Daemmerung Kostenlos Bücher Online Lesen
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ihm direkt gegenüber war ein Durchgang — zu einer Wendeltreppe. Er flitzte über die Steinfliesen und erreichte die unterste Stufe genau in dem Moment, als die Männer, die er gehört hatte, hereinkamen und ihre Stimmen jetzt in dem hohen Raum hallten. Kettelsmit machte sich klein und drückte sich rückwärts gegen die Stufen, auch wenn er dadurch nicht sehen konnte, wer da hereingekommen war.
    »... habe in einem der alten Werke — Phayallos, glaube ich — etwas gefunden, was sich auf solche Dinge bezieht. Er nannte sie ihrer Größe wegen Große Platten und hielt sie für — wie sagte er gleich? —
Fenster und Türen, auch wenn sie nur wenige zu durchschreiten vermögen.«
Die Stimme kam Kettelsmit irgendwie bekannt vor. Er war sich ziemlich sicher, sie schon einmal gehört zu haben: altersrauh, belegt, aber dennoch mit einem scharfen Ton.
    »Das sagt uns wenig, was wir nicht schon wissen«, erwiderte der andere Mann. Kettelsmit hielt vor Schreck den Atem an und versuchte sich noch unsichtbarer zu machen. Die zweite Stimme gehörte Hendon Tolly. »Seht Euch nur all diese kuhäugigen Trottel an?« Tolly sprach offenbar von den Ahnenbildern der Eddons. »Generationen von Königen, die nicht mehr waren als einfältige Hirten, zufrieden damit, ihre kleine Weide zu bewirtschaften.«
    »Es sind auch Eure Ahnen, Lord Tolly«, wandte der andere Mann ein.
    Zu Kettelsmits Entsetzen waren die beiden in der Mitte des großen Saals stehengeblieben, nicht weit von der Wendeltreppe.
Warum habe ich mich versteckt? Ich Idiot! Wenn sie mich jetzt ertappen, kann ich nicht mehr unschuldig tun!
    »Ja, aber nicht meine Vorbilder«, sagte Tolly. »Das große Syan im Süden ist schon seit einem Jahrhundert schwach, hübsch anzusehen, aber von innen her verfault. Brenland und die übrigen Territorien sind kaum mehr als ummauerte Bauerndörfer. Mit etwas Entschlossenheit könnten wir längst über ganz Eion herrschen.« Kettelsmit hörte ihn ausspucken. »Doch jetzt werden sich die Dinge ändern.« Seine Stimme nahm einen anderen Ton an — kälter und härter. »Ihr werdet mich doch nicht enttäuschen, Okros?«
    »Nein, Lord Tolly, seid unbesorgt! Die meisten Rätsel haben wir ja bereits gelöst, bis auf diesen elenden Gottstein. Allmählich glaube ich, es gibt ihn gar nicht.«
    »Sagtet Ihr nicht, dieser Gottstein sei nicht unbedingt nötig?«
    »Ja, Herr, soweit ich es beurteilen kann, aber ich hätte ihn doch lieber, ehe wir ...« Der Arzt räusperte sich. »Bitte bedenkt, Herr, dass das äußerst komplizierte Dinge sind — nicht wie der Bau einer Belagerungsmaschine. Nicht schlichte Ingenieurskunst.«
    »Das ist mir klar. Behandelt mich nicht wie einen Dummkopf.« Die bedrohliche Kälte in Hendon Tollys Stimme nahm noch zu.
    »Niemals, Herr!« Kettelsmit hatte Okros Dioketian schon im Palast gesehen — ein brüsker, niemals lächelnder Mann, der stets ein wenig verächtlich wirkte, auch wenn er es durch formelle Höflichkeit zu überspielen suchte. Jetzt aber klang er gar nicht verächtlich — er klang, als hätte er große Angst vor seinem Gebieter. Kettelsmit konnte das nachfühlen. »Nein, Herr, ich habe das nur gesagt, um Euch in Erinnerung zu rufen, dass noch viel zu tun ist. Ich arbeite Tag und Nacht, um ...«
    »Ihr sagtet doch, wir müssten den Zauber an Mittsommer anwenden, sonst sei die Gelegenheit verpasst. War es nicht so?«
    »Ja ... ja, das habe ich gesagt ...«
    »Dann können wir nicht länger warten. Ihr müsst mir zeigen, wie das alles zu geschehen hat, und zwar bald. Wenn Ihr das nicht könnt ... werde ich einen anderen Gelehrten finden.«
    Okros sagte eine ganze Weile gar nichts. Offenbar hatte er darum gerungen, seine zitternde Stimme unter Kontrolle zu bringen, was ihm jedoch nicht ganz gelungen war. »Selbstverständlich, Lord Tolly. Ich ... ich glaube, ich habe jetzt den größten Teil des Rituals zusammengepuzzelt — ja, so gut wie alles? Ich muss bloß noch herausbekommen, was gewisse Wörter bedeuten, da sich Phayallos und die anderen alten Gelehrten da nicht immer einig sind. So beharrt etwa einer nachdrücklich darauf, damit der Zauber wirke, müsse ›die Platte wolkig von Blut sein‹.«
    Hendon Tolly lachte. »Das dürfte kein großes Problem sein. Ein paar hungrige Mäuler weniger in diesem götterverdammten Ameisenhaufen von Stadt — daran wird sich niemand stören.« Seine Stimme wurde leiser, da er sich wieder in Bewegung setzte. Kettelsmit dankte Zosim im Stillen dafür, dass er sich

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