Die Daemmerung
wie immer es ihn gutdünkt. Dieses ganze kriegerische Getue ist doch vergebens. In den neun Städten der Funderlinge wird nichts mehr sein als Staub und Schatten.«
»Solche Reden brauchen wir nicht«, sagte Zinnober ärgerlich. »Wollt Ihr, dass unsere Leute vor Angst alles hinwerfen? Denkt doch wenigstens an unsere Frauen und Kinder, Nickel. Oh, ich vergaß — ihr Metamorphose-Brüder habt ja keine Zeit für solche Banalitäten ...«
»Wir erfüllen eine heilige Aufgabe?«, rief Nickel, und jetzt entspann sich eine heftige Debatte, an der sich selbst Malachit Kupfer beteiligte, doch Vansen hörte nicht mehr zu.
»Genug«, sagte er. Als sie es nicht beachteten, machte er vollen Gebrauch von der Tatsache, dass seine Stimme tiefer und kräftiger war als die irgendeines Funderlings.
»Genug jetzt!
Haltet den Mund, alle miteinander?« Alle im Raum starrten ihn verdutzt an. »Um der erwähnten Frauen und Kinder willen — um unser aller willen —, Schluss mit diesem Gezänk? Bruder Nickel, Ihr spracht eben von den ›neun Städten der Funderlinge‹ — was heißt das?«
Nickel machte eine wegwerfende Handbewegung. »Das ist nur so ein Ausdruck — es bedeutet alle Funderlinge überhaupt, nicht nur die hier in Funderlingsstadt.«
»Es gibt also noch mehr Funderlinge? Wo? Magister Zinnober, Ihr sagtet vorhin etwas von anderen Ortschaften und Städten, aber ich dachte, Ihr meintet gewöhnliche Städte wie Firstfort, Bokeburg und dergleichen.«
Zinnober schüttelte den Kopf. »Ich verstehe, warum Euch das interessiert, Hauptmann Vansen, aber falls Euch vorschwebt, dass tausende Funderlinge aus ganz Eion hierherströmen könnten, um uns zu retten, muss ich Euch leider enttäuschen. Einige der sogenannten Städte sind längst verschwunden, und von den meisten anderen ist nur wenig geblieben — jedenfalls von denen, die erreichbar sind. Zwei liegen hinter der Schattengrenze und eine auf dem südlichen Kontinent Xand.«
»Aber es gibt immer noch Funderlinge außerhalb von Südmark?«
»Einige schon, ja. Auch nach unseren Glanzzeiten haben an den meisten wichtigen Orten immer Funderlinge gelebt und Steinhauer- und Schmiedearbeiten für die Großwüchsigen verrichtet, aber es wurden immer weniger. Auch hier. Noch vor hundert Jahren waren wir fast doppelt so viele wie heute.« Zinnober zuckte die Achseln. »Es gibt immer noch eine beträchtliche Siedlung in Tessis und eine weitere in den Steinbruchbergen von Syan — zusammengenommen leben dort wohl etwa so viele Funderlinge wie hier. Und wie ich hörte, gibt es auch noch welche in unserer alten Stadt im settländischen Westkliff, auch wenn diese inzwischen kaum mehr als ein Dorf ist. Und über die übrigen großen Städte Eions sind vielleicht noch einmal tausend von uns verstreut. Am Jahresende treffen wir uns normalerweise auf dem großen Volksfest namens Zunftmarkt, aber ich glaube nicht, dass wir hier lange genug überleben werden, um auf dem Markt Hilfe zu rekrutieren.« Er zuckte wieder die Achseln. »Habe ich Eure Fragen falsch gedeutet, Hauptmann?«
»Nein, Magister, Eure Antwort war leider ein Volltreffer.« Vansen runzelte die Stirn. »Aber ich wüsste trotzdem gern, ob diese Trommelsteine Nachrichten bis nach Syan tragen können.«
»Früher haben sie es getan«, sagte Malachit Kupfer. »Aber jetzt ist der Stein zwischen hier und dort schon lange verstummt.«
»Ihr sagt, in Syan gibt es noch einmal so viele Funderlinge wie hier«, wandte sich Vansen wieder an Zinnober. »Vielleicht würden die uns ja helfen. Wenn wir doppelt so viele wären, könnten wir sicher eine ganze Weile länger standhalten.«
Zinnober nickte bedächtig. »Auch eine so geringe Chance dürfen wir nicht außer Acht lassen. Früher gab es eine Kette von Trommelsteinadern zwischen uns hier und der Funderlingssiedlung in Syan, die die Großwüchsigen Unterbruck nennen. Wenn es nicht gewaltige Gesteinsverschiebungen gegeben hat, wüsste ich nicht, warum sie ihre Aufgabe nicht immer noch erfüllen sollten.«
»Verzeiht«, sagte Malachit Kupfer, »aber ich muss das fragen. Selbst wenn wir noch fünfmal so viele Leute herbeiholen könnten, wie wir jetzt sind — was würde das nützen? Wenn alles, was ich heute gehört habe, stimmt, wären wir immer noch zu wenige, um die Qar zu schlagen. Wozu also? Unterstützung aus Unterbruck würde Wochen brauchen, um hierher zu gelangen — bis Mittsommer mindestens, selbst wenn sie welche schicken würden, was ich bezweifle. Doch selbst wenn Hilfe
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