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Die Daemmerung

Die Daemmerung

Titel: Die Daemmerung Kostenlos Bücher Online Lesen
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Barrick blieb nur ein Moment, um zu registrieren, dass Boot und Ruderer noch größer waren, als er vom Ufer aus gedacht hatte, und dass im Bug unter einem kleinen Zelt eine lange, bleiche Gestalt lag; dann drehte sich der mächtige Ruderer zu ihm um, hob aber immer noch nicht den Kopf.
    Was daran lag, erkannte Barrick, dass er keinen Kopf hatte — nur zwei große, feuchte Augen auf der Brust. Mit einem Schrei sprang Barrick wieder ins Wasser und stieß sich fast den Kopf an einem zweiten Ruder, das dort trieb. Er tauchte unter und kam wieder hoch. Vor Schreck schluckte er eine ganze Menge von dem grünen Wasser.
    »Götter im Himmel, was ist das für ein Dämon?«, stieß er spuckend hervor.
    »Kein Dämon!«, rief Pick vom schilfigen Ufer aus. »Nur ein Blemmy!. Der tut Euch nichts!«
    Auf festem Boden hätte Barrick wesentlich länger gebraucht, um den Mut aufzubringen, sich dem Boot wieder zu nähern, doch er konnte nun mal nicht ewig Wasser treten. Als er sich wieder ins Boot zog, wandte die Kreatur sich ihm zu, zeigte aber ansonsten keine Reaktion. Ihre mächtigen Arme betätigten immer noch das eine Ruder, so stetig wie die Schaufeln eines Mühlrads, und das Boot zog weiter seine trägen Kreise auf dem Stillwasser.
    Als sie nahe genug an dem anderen Ruder vorbeikamen, fischte Barrick es aus dem Wasser und streckte es dem Blemmy hin, wobei er versuchte, weder auf die reaktionslosen Augen in dessen Brust zu blicken noch auf die leere Stelle zwischen den Schultern, wo ein Hals und ein Kopf hätten sein sollen. Die Kreatur schien das Ruder nicht zu sehen, doch als Barrick es wieder in die Dolle steckte, umfasste es der Blemmy ohne Zögern und betätigte jetzt beide Ruder gleichzeitig. Das Boot glitt in die Strömung hinaus »Wie bringe ich ihn dazu, an Land zu rudern?«, rief Barrick. »Hat dieses verfluchte Wesen Ohren?«
    »Legt die Hand auf ihn und sagt ›s'yar‹!«, rief Pick zurück. »Laut, damit er es fühlen kann.«
    Barrick legte dem Blemmy die Hand auf die Schulter, die zwar übergroß war, sich ansonsten aber natürlich anfühlte, und sagte das Wort. Das Monster hielt ein Ruder still, bis sich das kleine Boot zum Ufer gedreht hatte, und arbeitete dann wieder mit beiden Rudern. Gleich darauf stieß der schmale, schwarze Kiel in den schlammigen Schilfwald, und Barrick sprang hinaus. Als das Boot sich nicht mehr weiterbewegte, hörte der Blemmy einfach auf zu rudern, und die Augen in seiner Brust starrten Barrick und Pick etwa so interessiert an wie die einer Kuh auf der Weide.
    Der Flickenmann kletterte ins Boot, schlug das Zelt zurück und kniete sich dann neben die reglose Gestalt. Im Nu ging seine Erregung in leises Weinen über. »Es geht ihm schlechter! Er wird Schlaf nie lebend erreichen?«
    Barrick versuchte, sich den Schreck nicht anmerken zu lassen. »Dein Herr ist ... aus der Stadt Schlaf?«
    »Qu'arus ist ein bedeutender Mann«, sagte Pick, als hätte Barrick etwas anderes angedeutet. »Alle Traumlosen werden um ihn trauern.«
    »Kia-ruus«, versuchte Barrick nachzusprechen. »Und er ist einer von ihnen? Von den Traumlosen?«
    Pick wischte sich die Augen, aber es war vergeblich: Die Tränen strömten weiter. »Ja — er hat mich gerettet!. Ohne seine Güte wäre ich tot. Und er hat mich fast nie geschlagen ...« Er brach, von Schluchzen geschüttelt, über der Brust der reglosen Gestalt zusammen, während Barrick wieder ins Boot kletterte und vorsichtig um den stummen Blemmy herumstieg, damit er einen Blick auf Picks Herrn werfen konnte.
    Obwohl er schon halb damit gerechnet hatte, war es ein Schock: die seidige Haut und die hageren Züge, so ähnlich denen von Kituyiks mörderischem Hauszauberer Ueni'ssoh. Picks Herr lag im Fieberdelirium, war aber zu schwach, sich groß zu bewegen. Seine stieren Augen, die haltlos hin und her rollten, waren von derselben bizarren Farbe wie die Ueni'ssohs — bläulichgrün wie xandische Jade, ohne jedes Weiß. Mit dieser monströsen Erinnerung an Große Tiefen konfrontiert, musste Barrick sich beherrschen, um der Kreatur nicht seine Speerspitze ins Herz zu stoßen, doch die Gefühle des zerlumpten Dieners waren offensichtlich ganz andere: Als Pick zu Barrick aufsah, waren seine Augen gerötet und seine Wangen tränennass.
    »Die anderen Diener sind weggerannt, als der Herr niedergestreckt wurde. Ich konnte nicht beides tun, mich um ihn kümmern und die Blemmys beaufsichtigen. Kommt mit. Helft mir? Gemeinsam können wir ihn nach Schlaf

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