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Die Daemmerung

Die Daemmerung

Titel: Die Daemmerung Kostenlos Bücher Online Lesen
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zurückbringen.«
    »Unsereins will das nicht?«, krächzte Skurn vom erhöhten Heck des Bootes und flatterte erregt mit den Flügeln.
    »Still, Vogel.« Barrick blickte von dem zerlumpten Diener zu dessen sterbendem Herrn. Bei seinem Kampf mit den Seidenwicklern hatte es einen Moment gegeben, in dem alles so klar erschienen war: Dies war seine Bestimmung. Wie Hiliometes oder Caylor würde er für alle Probleme Lösungen finden. Das hier war so eine Lösung — ein Boot, das ihn nach Schlaf bringen würde, und ein Ratgeber, der ihm helfen konnte, sich unbemerkt durch diesen feindlichen Ort zu bewegen. Vielleicht hatten die Schläfer die Gefahren ja überschätzt — vielleicht lebten ja inzwischen viele Sterbliche wie dieser Pick unter den Traumlosen.
    Dennoch machte ihm der Gedanke Angst. Es schien zu simpel, um ungefährlich zu sein, wie eine geschrubbte, glänzende Karotte, die mitten in einer Schlinge vor einem Kaninchenbau lag — aber vielleicht fühlte es sich ja so an, wenn das Schicksal sprach. Er warf noch einen Blick auf den Blemmy, erschauerte leise und nickte dann.
    »Nun gut«, sagte er. »Ich komme mit euch. Ein Stück jedenfalls.«

    Jetzt zwei Ruder in den mächtigen Händen, beförderte sie der kopflose Blemmy flußabwärts. Den Hauptteil der Arbeit tat die mäßige Strömung, aber das seltsame Wesen sah offenbar doch sehr viel besser, als Barrick gedacht hätte, und umfuhr Hindernisse mit einer Geschicklichkeit, die in krassem Widerspruch zu seiner Hilflosigkeit vorhin auf dem Stillwasser stand. Während Pick sich um den grauen Mann kümmerte, der jetzt in einen friedlicheren Schlaf gesunken war, saß Skurn verdrossen auf dem hohen Heck des Bootes oder flatterte hinterher.
    »Du sagst, dein Herr wurde niedergestreckt«, fragte Barrick den Flickenmann. »Was ist passiert?«
    »Wir wurden in den Bettlerslanden von Räubern überfallen.« Er tupfte die graue Haut seines Herrn mit einem feuchten Lappen ab. »Strickmänner heißen sie. Sahen zunächst nicht weiter außergewöhnlich aus, waren aber spindeldünn — wie Aale auf Beinen — und machten nie den Mund zu. Gelbe Zähne, so lang wie Zimmermannsnägel!« Der Mann in dem bunten Flickengewand zitterte. »Zuerst wurde einer von den Wächtern meines Herrn getötet, aber dann traf ein anderer Strickmann meinen Herrn m-mit einem Pfeil. Einer von den anderen Dienern und ich ... w-wir haben ihn herausgezogen ... doch dann wurde der andere Wächter tödlich getroffen, und die übrigen Diener sprangen ins Wasser, um den Pfeilen zu entgehen, kamen aber nicht wieder hoch. Es war furchtbar? Doch die Blemmys ruderten schnell, und die Strickmänner waren am Ufer, also sind wir entkommen, aber der andere Diener hatte einen Pfeil, der wie eine Schlange bemalt war, in den Rücken bekommen. Er starb. M-mein Herr ... es ging ihm immer schlechter ...« Pick versagte die Stimme. Barrick, den Picks Gefühlsausbrüche etwas in Verlegenheit brachten, wandte sich ab und betrachtete das vorbeiziehende Schilfufer, bis der Flickenmann weitersprechen konnte. »Das war vor drei Schlafzeiten, nach der Stundenbüchse meines Herrn. Dann prallten wir gegen einen Stein, und der andere Blemmy fiel ins Wasser und ertrank. Den Rest habt Ihr mitbekommen.«
    Barrick runzelte die Stirn. »Wie kann einer von denen ertrinken? Sie haben ja keinen Mund.«
    »Doch, unten am Bauch. Sie geben sogar Laute von sich, wenn sie Schmerzen oder Angst haben — so ein kratziges Pfeifen ...«
    »Genug.« Das wollte Barrick sich gar nicht vorstellen — es war zu unnatürlich. »Und was wird geschehen, wenn wir in Schlaf sind? Dein Herr liegt im Sterben — das wissen wir beide. Was passiert dann mit dir ... und mit mir?«
    »Wir ... uns geschieht bestimmt nichts.« Das sagte Pick, als hätte er bis zu diesem Moment gar nicht darüber nachgedacht. »Mein Herr war immer gut zu mir. Und da sind auch noch die
Wimmuai —
für die hat er auch immer gut gesorgt. Er hat sie an Altersschwäche sterben lassen?«
    »Wimmi-ei? Was ist das? Irgendwelche Haustiere?«
    Pick zuckte zusammen. »Das sind ... das sind Leute wie Ihr und ich. In Schlaf geboren und aufgewachsen, Nachkömmlinge von Gefangenen, die sie über die Jahre an der Schattengrenze gemacht haben. Mein Herr hält gewöhnlich ein Dutzend.«
    Sklaven, mit anderen Worten. Menschliche Sklaven. Aber so überraschend war das nicht — Barrick hatte keinen Augenblick geglaubt, dass Sterbliche in Schlaf die gleichen Rechte genießen könnten wie die

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