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Die Daemmerung

Die Daemmerung

Titel: Die Daemmerung Kostenlos Bücher Online Lesen
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kennst?«
    Ein Ausdruck schierer Dankbarkeit breitete sich über Becks Gesicht. »Bei den Göttern, ja? Jetzt weiß ich es wieder? Ihr ... Ihr seid der Prinz? Bei den Dreien, ja, Ihr seid der Prinz?«
    »Nicht so laut? Ja, der bin ich.« Aber seltsam — er fühlte sich nicht so. Früher hatte er, in all seinem Unglück, nie daran gezweifelt, dass er der Sohn eines Königs war. Jetzt schien es das Leben eines anderen, eine Geschichte, die er gehört, aber nie selbst erlebt hatte.
    »Ihr und Eure Schwester ...« Beck fuchtelte erregt mit den Händen. »Ihr habt mit mir gesprochen. Ihr habt mir Fragen gestellt. Nach meinem ersten ...« Sein Gesicht erschlaffte. »Nachdem ich das erste Mal den Zwielichtlern begegnet war.«
    »Wenn du es sagst.« Barrick konnte sich nicht an den Mann erinnern.
    »Wisst Ihr es wirklich nicht mehr? Ich heiße ...« Er verzog vor Anstrengung das Gesicht. Ganz offensichtlich hatte er die Erinnerung lange nicht mehr hervorgeholt. »Ich heiße Raemon Beck.«
    Der Name sagte ihm nichts, aber Barrick war es auch lieber so: Er wollte nicht auf Vergangenes gestoßen werden. Er erinnerte sich durchaus an Etliches aus dem, was Beck das »Vorher« nannte — Namen, Gesichter —, doch die Erinnerungen waren seltsam fern und flach, mit wenig Gefühl verbunden, wie der kaum noch vorhandene Schmerz einer sehr alten Verletzung. Selbst Gedanken an seine Schwester, bei denen ihm schien, als müsste da mehr dran sein, waren wie etwas, das durch zu lange Lagerung alles Aroma verloren hatte. Und Barrick war es nur zu recht, wenn das so blieb.
    »Was sind das für Kreaturen?«, fragte er unvermittelt und zeigte auf die schwarzen Lurche, die sich um das Feuer in der Mitte ihrer Grube scharten wie Kernios' Sklaven in der Unterwelt. »Wozu sind sie hier?«
    »Salamander — Feuerlurche. Sie sind die Haustiere unseres Herrn. Er hat ... er hatte Freude daran, sie zu füttern.«
    Und ich wette, er hat sie besser gefüttert als euch,
dachte Barrick, sagte es aber nicht.
    Raemon Beck wollte wissen, wie der Prinz über die Schattengrenze geraten war, doch Barrick ließ sich auf kein Gespräch ein, und so gab Beck schließlich auf. Bald war nichts mehr zu hören als das Knistern und Knacken des Feuers und das leise Schnarchen des alten Finley.
    In Barricks Traum — denn es musste ein Traum sein, das war ihm klar, obwohl er sich nicht erinnern konnte, eingeschlafen zu sein — waren die Augen des Lurchs so glühend wie die Flammen, die ihn umgaben. Das schwarze Geschöpf lag nicht am Feuer, sondern
darin,
auf einem brennenden, halb verkohlten Scheit mitten im heißesten Lodern.
    »Wer bist du, dass du ohne Platte oder Becken hierherkommst?«, fragte es ihn mit einer melodischen Stimme.
    »Ich bin ein Prinz, Sohn eines Königs«, erklärte er dem Geschöpf.
    »Nein, du bist eine Ameise, Sohn einer anderen Ameise«, beschied ihn der Lurch träge. »Ein Insekt mit der Gabe eines Quentchens Macht, das in deinen Adern fließt, doch nichtsdestoweniger ein Insekt. Das geschäftig dahin und dorthin eilt, nur um bald zu sterben. Vielleicht wirst du meine Rückkehr erleben. Das wird ein glanzvoller Moment sein, der deinem kleinen Leben ein bisschen Bedeutung verleihen könnte.«
    Er wollte diese gemeine, arrogante Kreatur beschimpfen und verfluchen, doch der starre Blick des Salamanders hielt ihn gefangen, so hilflos, als wäre er wirklich das kleine Krabbeltier, als das der ihn bezeichnet hatte. »Wer bist du?«
    »Ich bin und bin immer gewesen. Namen sind meinesgleichen nicht wichtig. Wir wissen, wer wir sind. Es sind nur deinesgleichen mit ihren stumpfen Sinnen und kurzen Leben, die auf der Tyrannei der Namen beharren. Doch ganz gleich, was eure großen Weisen glauben, man beherrscht nichts, nur indem man es benennt.«
    »Wenn wir so unbedeutend sind, warum sprichst du dann mit mir?«
    »Weil du eine Kuriosität bist und weil ich, auch wenn ich jetzt nicht mehr lange warten muss, doch schon länger
zur
Untätigkeit gezwungen bin, als mir lieb ist. Mir ist langweilig, und selbst eine krabbelnde Ameise kann Unterhaltung liefern.«
    Sein Schwanz peitschte leicht hin und her und wirbelte Funken auf. Das Knacken des Feuers wurde jetzt lauter — die letzten Worte des Salamanders hatte Barrick kaum verstanden.
    »Ich würde dich töten, wenn ich könnte«, erklärte er der Kreatur.
    Das Lachen war so hübsch wie die Stimme, singend und silbrig.
»Kann man das Dunkel töten? Kann man den Erdgrund zerstören oder eine Flamme ermorden?

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