Die Daemmerung

angelegt?«
    Becks dreckiges Gesicht legte sich in Denkfalten. »Um ehrlich zu sein, ich weiß nur wenig. Vor dem Jagdausflug hat mich mein Herr nur ein einziges Mal mit nach draußen genommen, zu einem zeremoniellen Besuch beim Herzog von Spinnweb. Er hat mehrere seiner sterblichen Diener mitgenommen — einfach nur, um dem Herzog eins auszuwischen, hatte ich jedenfalls das Gefühl.« Ein trauriges kleines Lächeln spielte kurz um Becks Lippen. »Wir mussten weit in die Stadt hinein, und unterwegs hat er mir Sachen gezeigt. Lasst mich überlegen.« Er hob einen Kiefernzweig auf und ritzte damit die dunkle, feuchte Erde. »Die Form ist ungefähr so, glaube ich.« Er zeichnete eine leicht missratene Spirale. »K'ze-shehaouie — der Fahlstrom — so nennen sie den großen Kana!«, sagte er und fuhr diese Hauptlinie nach. »Aber es gibt noch mehr Wasserwege, die ihn überall kreuzen.« Er zog weitere Linien über die Hauptlinie hinweg. Das Ganze sah jetzt ein bisschen aus wie eines der halbierten, in Kammern unterteilten Seeschneckenhäuser, die die Erivor-Priester als Symbol ihres Gottes auf der Brust trugen.
    »Aber wo sind wir?«, fragte Barrick.
    Raemon Beck rieb sich das Gesicht. »Ich glaube, Qu'arus' Haus muss ungefähr hier liegen«, sagte er und tippte mit seinem Stock auf einen Punkt der äußersten Spiralwindung. »Mein Herr war immer stolz darauf, dass er außerhalb des Stadtkerns wohnte, nicht da, wo die anderen reichen und bedeutenden Familien wohnen. Und
jetzt
sind wir vermutlich irgendwo hier.« Er fuhr die zweite und dritte Spiralwindung nach. »Ich kann nicht genau sagen, wie weit wir gekommen sind, aber ich weiß, dass dieser Teil hier voller Inseln ist.«
    Barrick runzelte die Stirn. Er zog das Fleisch vom Spieß, legte es auf einen sauberen Stein und machte sich daran, es in zwei Hälften zu zerteilen, was mit einer so großen Klinge für einen so kleinen Braten gar nicht so leicht war. Er ließ Becks Hälfte auf dem Stein liegen und begann, seine mit den Fingern zu essen. »Ich muss mehr wissen. Ich habe eine Aufgabe zu erfüllen.«
    »Was für eine Aufgabe?«, wollte Beck wissen.
    Nicht einmal die lang entbehrte menschliche Gesellschaft und der Luxus einer warmen Mahlzeit konnten Barrick dazu verleiten, jemandem, der ihm schließlich so gut wie fremd war, alle seine Geheimnisse anzuvertrauen. »Das braucht dich nicht zu interessieren. Ich muss, wie ich schon sagte, eine bestimmte Tür finden und habe keinen Anhaltspunkt, wo sie sein könnte, außer dem Namen ›Krummlingshall‹. Was kannst du mir noch sagen? Wenn du Krummlingshall nicht kennst, gibt es vielleicht irgendwo in Schlaf eine berühmte Tür? Ein wichtiges Tor? Etwas streng Gehütetes?«
    »Hier wird alles gehütet«, sagte Beck düster. »Was nicht die Schrikkas bewachen, das befindet sich in den Häusern der Traumlosen, fest in deren Griff«
    »Du erwähntest jemanden, zu dem dich dein Herr mitgenommen hat — der Herzog von Spinnennetz?«
    »Spinnweb. Er ist uralt. Mein Herr hat gesagt, er sei einer der Ältesten hier in der Stadt, nur noch übertroffen von den Mitgliedern des Lachenden Rats.«
    Barrick sah ihn verdutzt an. »Was ist das denn für ein Name?«
    »Ich weiß nicht, Herr. Mein Herr hat sie gehasst. Er hat gesagt, jemand müsste ihnen die letzten Säfte aus dem Leib saugen, dann könnten wir alle wieder neu beginnen. Und er sagte auch, Lachen müsste mit einem Geräusch verbunden sein, aber ich weiß nicht, was er gemeint hat.«
    Barrick hatte allmählich genug von Becks Abschweifungen. »Dieser Spinnweb — wo ist der? Könnten wir zu ihm? Könnten wir ihn dazu bringen, uns zu sagen, was wir wissen wollen?«
    Raemon Beck starrte ihn entsetzt an. »Den Herzog? Nein! Wir können uns nicht mal in seine Nähe wagen. Er würde uns vernichten, ohne einen Finger zu rühren!«
    »Aber wo war sein Haus? Kannst du mir das wenigstens sagen?«
    »Ich weiß nicht genau. Irgendwo nahe der Stadtmitte. Das weiß ich, weil wir an vielen von den ältesten Häusern vorbeigekommen sind, als wir nach Schlaf hineinfuhren. Manche waren niedergebrannt, andere verfallen und einige von so viel Dunkellicht umgeben, dass ich sie auch von nahem nicht sehen konnte. Mein Herr hat mir vieles gezeigt — so seltsame Namen waren das? —, den Garten der Hände zum Beispiel und etwas namens Fünf Rote Steine, die Bibliothek der herzzerreißenden Musik — nein, herzergreifenden Musik ...« Er holte Luft. »So viele Namen! Syu'maas Turm, das Verrätertor,