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Die Daemmerung

Die Daemmerung

Titel: Die Daemmerung Kostenlos Bücher Online Lesen
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um deinen Kopf zu bedecken, leg dich hin.«
    Beck fand ein geflicktes Stück Segeltuch und schlug es um sich. »Es ist ja nur, weil ich diese Leute kenne. Sie sind grausam, die Traumlosen — grundlos grausam! Sie sind wie Jungen, die Fliegen die Beine ausreißen.«
    »Dann müssen wir eben dafür sorgen, dass sie unsere Beine nicht zu fassen bekommen! Wo ist denn jetzt dieser verdammte Rabe abgeblieben?«
    Barrick hielt immer noch Ausschau nach Skurn, als sie an eine Stelle kamen, wo sich mehrere uralte Brücken wie ein Gewirr von dornigen Ästen übers Wasser zogen, um zwei Reihen halbverfallener, efeubewachsener, gekachelter Türme beidseits des düsteren Kanals zu verbinden. Eine verschwommen-graue Bewegung auf einer der Brücken sprang Barrick ins Auge. Er sah hinauf. Etwas blickte auf ihn herab. Durch die blakenden Dunkellichter konnte er es kaum sehen, aber er fühlte den Blick von diesem Etwas wie eine eiskalte Klaue, die sich um sein Herz schloss.
    »Was macht Ihr denn?«, flüsterte Beck eindringlich. »Ihr habt das Ruder fallen lassen!«
    Barrick hörte das Platschen, als sein Gefährte das Ruder wieder ins Boot zog, aber es hätte ebenso gut am entfernteren Ufer sein können. »Wo ... wo ist es hin?«, sagte er schließlich, kaum in der Lage zu sprechen. »Ist es noch da oben?«
    »Was? Wovon sprecht Ihr?«
    »Seine Augen — sie waren rot. Ich glaube, es war lebendig, aber ... aber es ... war kein ...« Sein Mund war staubtrocken und so rauh wie Sand, aber er schluckte dennoch. »Es hat mich
angesehen ...«
    »Götter, steht uns bei«, stöhnte Beck. »Waren es Schrikkas? O Himmel, bewahre uns, ich will sie nicht sehen!« Er presste das Gesicht in die Hände wie ein verängstigtes Kind.
    Mit jagendem Herzen schaffte es Barrick schließlich, wieder hinzuschauen. Das Brückengewirr blieb bereits hinter ihnen zurück, und obwohl er einen schaurigen Moment lang auf der obersten Brücke etwas Helles flattern zu sehen glaubte, war da, als er blinzelte und wieder hinsah, nichts mehr. Doch er zitterte noch immer, obwohl er nicht genau sagen konnte, was ihm solche Angst gemacht hatte.
    Wie weiße Lumpen im Wind ...
    Die Stadt schien in einen gedämpften, morbiden Wachzustand zurückzukehren. Barrick sah Gestalten, die sich durch das Dunkellicht bewegten, aber sie waren alle so verhüllt und vermummt, dass außer der Bewegung kaum etwas zu erkennen war. Die meisten waren allein unterwegs, gingen langsam die Kanalufer entlang oder gelegentlich auch über eine der seltsam hohen Brücken, oft mit Dunkellichtfackeln, sodass sie in ihrer eigenen Wolke von Schwarz dahinwanderten. Barrick wollte jetzt nichts dringender, als so schnell wie möglich von hier wegzukommen. Was für unnatürliche Wesen waren diese Traumlosen? Hassten sie das Licht wirklich so sehr, oder war da mehr an dieser Verdunkelung? Er war jetzt plötzlich froh, dass ihm Beck die Fackel ausgeredet hatte.
    Dem langsam flatternden Raben folgend, überquerten sie den breitesten Arm des Fahlstroms und glitten in einen engen Seitenkanal, der, in sich zusammengekrümmt wie ein toter Tausendfüßler, durch einen scheinbar vergessenen Teil der Stadt führte. Trotz der Zentrumsnähe schien hier fast alles leer und verlassen. Die Hälfte der Häuser waren nur noch Ruinen, etliche davon nichts als verkohlter Schutt. Raemon Beck im Bug des Bootes richtete sich auf, das Gesicht angespannt vor Konzentration und Angst. »Hier ist es«, sagte er. »Hierher hat uns mein Herr gebracht— ich erinnere mich an diesen Baum.« Er zeigte auf eine uralte, knorrige Erle, die auf einer eigenen kleinen Felsinsel stand. Der Stamm war von Wind und Zeit verformt, das Geäst reckte sich über der Kanalmitte empor wie die Hand eines ertrinkenden Riesen. »Ich glaube, das Verrätertor war ganz in der Nähe.«
    »Hoffentlich«, sagte Barrick und suchte mit zusammengekniffenen Augen die Ufer ab. In dieser Gegend gab es weniger Dunkellichter, nur gelegentlich eine Wandfackel, die tintiges Schwarz verströmte, aber es war immer noch so finster, dass Einzelheiten am Ufer schwer auszumachen waren. Nur Augenblicke später richtete er sich mit einem Ruck auf und zeigte mit dem Finger. »Ist es das da?«
    Was auch immer es einmal gewesen sein mochte, jetzt war das steinerne Bauwerk kaum mehr als eine Ruine. Die äußeren Bereiche waren eingestürzt, die verbliebenen Mauern von Gestrüpp und Kletterpflanzen überwuchert. Es sah aus wie eine der Grabstätten auf dem Friedhof draußen vor dem

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