Die Daemmerung
seiner Hand, als wollte er ihm die Waffe entwinden. Hinter sich hörte er Beck rufen, verstand aber nicht, was er sagte.
Die Halme, die seine Beine umschlungen hatten, zerrten jetzt an ihm, indem sie sich zusammenzogen wie Streifen von trocknender Tierhaut. Barrick wusste, wenn sie ihn ins Gras hinabzögen, würde er nie wieder hochkommen. Er hieb immer noch auf sie ein, aber es nützte nichts — zwar konnte er ein paar der Grasstränge durchschlagen, aber für jeden, den er kappte, packten ihn zwei neue.
Im Moment höchster Verzweiflung kam ihm eine Idee.
Barrick schüttelte den grauen Mantel ab, den er sich angeeignet hatte, warf ihn vor sich aufs Gras, ließ sich fallen und drehte sich dabei so, dass er rücklings auf dem Kleidungsstück zu liegen kam. Er fühlte das Gras wie grabschende Finger unter sich, doch durch das dicke Wolltuch, das er mit seinem Gewicht niederpresste, konnten sie ihm nichts anhaben. Fürs Erste geschützt, säbelte er wieder an dem Gras herum, das seine Füße festhielt. Es war Schwerarbeit, aber es gelang ihm, sich zu befreien. Zunächst konnte er nur keuchend daliegen — ein Schiffbrüchiger auf dem Floß des Mantels inmitten eines wütenden grünen Meers. Dann, als er wieder etwas zu Kräften gekommen war, begann er wie eine Raupe über das Gras zu kriechen. Den Mantel zog er mit sich, darauf bedacht, ihn die ganze Zeit zwischen sich und dem raubgierigen Gras zu behalten. Als er das andere Ende der Grasfläche erreicht hatte und sich in den Torbogen rettete, blickte er kurz hindurch, ob dort nicht noch etwas auf ihn lauerte, drehte sich dann um und warf den zusammengeknäuelten Mantel zu Beck hinüber. Beck, der sich den Manteltrick abgeschaut hatte, war schneller am anderen Ende der Rasenfläche.
Schließlich standen sie beide im Durchgang und spähten in den nächsten Hof. Dort sahen sie auf den ersten Blick nur eine tiefhängende Nebelschicht, doch dann erkannte Barrick, dass der Nebel direkt über einem flachen Wasserbassin hing. Es nahm den gesamten Hof ein, so wie den vorigen das Gras.
»Ihr wollt doch nicht versuchen, da hindurchzugehen, Herr?«, fragte Beck.
Barrick zuckte die Achseln. »Ich weiß nicht, was wir sonst tun könnten. Aber du musst nicht mitkommen — das sagte ich ja schon.«
Beck stöhnte. »Umkehren? Nachdem ich mitgeholfen habe, zwei von den Einsamen zu töten?«
»Ah ja, das war clever«, sagte Barrick, während er sich den Mantel wieder umwarf, »sie mit ihrer eigenen Dunkellichtfackel zu verbrennen.«
»Daran war nichts clever, Sire. Ich bin losgerannt, um mir irgendetwas zu schnappen, das als Waffe taugte. Das Dunkellicht war das Erste, was ich gesehen habe.«
Einen Moment fühlte Barrick fast schon Verbundenheit mit diesem Mann, ja sogar eine Art Verwandtschaft, aber das war eine Schwäche, die er sich nicht mehr leisten konnte. Er musterte wieder das Bassin.
Der Nebel hing träge über dem Becken, doch jetzt konnte Barrick erkennen, dass er eine Reihe rissiger alter Steine verhüllte, die eben gerade aus dem Wasser ragten und zu einem weiteren Torbogen in der jenseitigen Mauer führten. Es war ganz klar, dass es Trittsteine waren, aber ebenso klar war Barrick, dass die Überquerung des Wassers dennoch bestimmt nicht so leicht sein würde, wie es aussah. Er trat auf den ersten Stein und wartete ängstlich, dass irgendetwas geschähe. Als nichts geschah, trat er auf den nächsten Stein, das Schwert fest umfasst, während seine Augen das Bassin daraufhin absuchten, welch fürchterliche Kreatur ihn aus dem trügerisch friedlichen Wasser anfallen würde. Doch noch immer zeigte sich nichts Bedrohliches, also tat Barrick einen weiteren Schritt, und Raemon Beck folgte ihm langsam.
Erst als er in der Mitte war und schon hoffte, dass das, was dieses Bassin bewohnt haben mochte, nicht mehr da war, spürte Barrick auf einmal in der unteren Körperhälfte eine Schwäche, so als ob seine Beine Kornsäcke wären und etwas ein Loch hineingenagt hätte. Als er an sich hinabsah, bemerkte er, dass sich der Nebel um seine Knöchel und Unterschenkel verdichtet hatte und einzelne Nebelzungen sich auf eine Art bewegten, die nichts mit irgendwelchen spürbaren Luftbewegungen zu tun hatte. Während er hinstarrte und das Schwächegefühl sich ausbreitete, glaubte er plötzlich, im Nebel Formen zu erkennen, groteske Fratzen und krallende Finger. Überall, wo ihn der Nebel berührte, wurde ihm kalt. Er machte noch einen Schritt, doch seine Beine waren jetzt so
Weitere Kostenlose Bücher