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Die Daemmerung

Die Daemmerung

Titel: Die Daemmerung Kostenlos Bücher Online Lesen
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verbundenen Schnittwunden, aber die Tür bewegte sich so wenig wie ein Berg. Er stemmte den Fuß gegen die oberste Stufe und zog mit aller Kraft, doch ebenso gut hätte er versuchen können, die ganze Erde auf seine Schultern zu hieven. Raemon Beck schlang die Arme um Barricks Mitte und zog auch noch mit, aber es änderte alles nichts.
    »Schon dran gedacht, die große Tür da aufzudrücken, statt immer nur zu ziehen?«, mischte sich Skurn ein.
    Barrick sah ihn gequält an, trat dann auf die Türschwelle und drückte gegen die Tür, so fest er konnte. Die Tür rührte sich nicht. »Zufrieden jetzt?«, fragte er den Vogel, drehte sich dann mit dem Rücken zur Tür und rutschte an ihr hinunter, bis er auf der Schwelle saß und in den zwielichtdüsteren Hof blickte — hier brannten ja keine Dunkellichter.
    »Ihr habt doch fest gedrückt?«, fragte Skurn.
    Barrick sah ihn finster an. »Versuch's doch selbst, wenn du's nicht glaubst.«
    Skurn krächzte empört. »Hat doch keine Hände, unsereins, oder?«
    Die Worte des Raben rührten an irgendetwas in seinem Gedächtnis. Keine Hände. Barrick lehnte den Kopf an die Tür — sie fühlte sich so massiv an wie ein Granitfelsen — und schloss die Augen, aber die Erinnerung entwischte ihm immer wieder. Er war so müde, dass die Welt um ihn herum in alle Richtungen zu schwanken schien, also machte er die Augen wieder auf So müde war er gewiss in seinem ganzen Leben noch nie gewesen ...
    »Hände«, sagte er unvermittelt. »Es war irgendwas mit Händen.«
    »Was?« Raemon Beck sah ihn an, doch sein Blick war stumpf und ohne Hoffnung. Bestimmt, dachte Barrick, sah er schon eine Armee von Schrikkas durch den Hof mit dem Gras heranmarschieren und dann durch den Hof mit dem Wasser ...
    »Das war's«, sagte Barrick. »Die Schläfer haben mir etwas über diesen Ort gesagt — Krummlingshall, wenn es das wirklich ist. Sie sagten, keine Sterblichenhand könne diese Tür öffnen.«
    Beck schien es gar nicht gehört zu haben. »Wir müssen etwas tun, Herr. Bald werden weitere Einsame hier sein!«
    Barrick lachte hart und bitter. Was nützte die Information, selbst wenn sie richtig war? Sie waren hier alle sterblich, selbst Skurn. Wenn es »keine Menschenhand« geheißen hätte, hätte der Rabe die Tür vielleicht mit dem Schnabel aufbekommen können. Bei dem Gedanken schnaubte Barrick höhnisch. Vielleicht sollten sie die Schrikkas um Hilfe bitten ...
    »Wartet. Keine Sterblichenhand haben sie gesagt.« Er griff unter sein Hemd, holte Gyirs Spiegel hervor und zog sich dann die Schnur über den Kopf Als er das beträchtliche Gewicht des Spiegels in seiner Hand spürte, hatte er kurz das seltsame Gefühl, dass es ein Lebewesen war, das er da hielt, aber für solche Gedanken war keine Zeit — die Idee, die ihm gerade gekommen war, hatte wenig mit dem Spiegel tun, aber umso mehr mit dem dünnen Stück Ankerleine, an dem er hing.
    Raemon Beck, der erschöpft auf der Treppe saß, blickte auf »Was ist das?«
    »Sag nichts.« Barrick beugte sich näher zur Tür, fasste die Schnurschlinge zu beiden Seiten des Beutels, der den Spiegel barg, und warf sie über den Türgriff. Dann zog er. Ohne Erfolg.
    Skurn flatterte auf und kreiste einmal. »Diese grauen Kreaturen. Ich sehe noch mehr von ihnen am Fluss. Sie kommen in unsere Richtung«, verkündete der Vogel. »Ziemlich schnell ...«
    Barricks Finger begannen zu kribbeln. Gleich darauf lief ein flackerndes Licht die Schnur entlang, so schwach, dass es ohne das Schattendunkel des Torbogens nicht sichtbar gewesen wäre. Ohne zu überlegen, führte er die Hände zusammen und zog. Mit einem tiefen Rumpeln und einem kaum hörbaren Quietschen, als kämpften die Angeln gegen den Rost von Jahrhunderten an, schwang die Tür auf Barrick musste zurücktreten, um der schweren Tür auszuweichen, und Raemon Beck fiel fast die restlichen Stufen hinunter. Skurn flatterte vor der Türöffnung auf der Stelle, wirbelte dann aber plötzlich in der Luft und verschwand im Schwarz jenseits der Tür, als hätte ihn ein mächtiger Wind erfasst und davongerissen.
    »He, Vogel!« Barrick streckte die Hand aus, zog sie aber wieder zurück, ehe seine Finger in die Leere hinter der Tür eintauchten. Es war mehr als nur Schatten, es war das Nichts selbst, so wie der schwarze Schlund, der Hauptmann Vansen verschlungen hatte ...
    Er fühlte Wind, der ihn ergriff, an seinem Haar riss, an seinen Kleidern ...
    Raemon Beck konnte gerade noch sagen: »Ich habe Angst, Herr ...«,

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