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Die Daemmerung

Die Daemmerung

Titel: Die Daemmerung Kostenlos Bücher Online Lesen
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tat ihm alles weh. Was würden die Südmärker von ihrem jämmerlichen Prinzen halten, wenn sie ihn jetzt sehen könnten?
    Hier stehe ich,
sagte er sich,
der Prinz von Nichts und Niemandem. Ohne Untertanen, ohne Soldaten, ohne Familie, ohne Freunde.
    Skurn fiel vom Himmel und landete flatternd auf dem Steinpflaster jenseits des Torbogens. Als der Rabe nur ein paar Schritte entfernt hin und her stolzierte, rechnete Barrick schon halb damit, dass etwas zwischen den Steinplatten hervorlangen und den schwarzen Vogel erwürgen würde, aber entweder machte sich die lauernde Gefahr nichts aus Raben, oder es handelte sich um etwas Subtileres.
    »Zufrieden jetzt?«, fragte Skurn. »Kann sich der Frage nicht erwehren, unsereins.«
    »Halt deine Schneckenklappe, Vogel. Ich musste hierher in diese verfluchte Stadt. Und das hier muss ich jetzt auch tun. Dich hat niemand zum Mitkommen gezwungen.«
    »O ja, schmeißt unsereins nur raus, natürlich. Hat nichts getan, als Euch zu warnen, unsereins. Faires Entgelt, wirklich.«
    »Hör zu, statt mich zu beschimpfen wie ein altes Weib, sag mir lieber, ob du irgendetwas gesehen hast. Was ist hinter diesem Hof da?«
    Der Rabe beäugte ihn. »Nichts.«
    »Wirklich? Was ist dann auf der anderen Seite der Tür dort?«
    Skurn spähte mit halb zusammengekniffenen Augen zu der alten Holztür jenseits des Hofs, die sich durch nichts weiter auszeichnete als durch einen rostigen Metallknopf in der Mitte — ein Türgriff vielleicht.
    »Auf der anderen Seite? Da
ist
keine andere Seite.«
    »Was redest du da?« Barrick beherrschte sich mit Mühe. »Wenn wir erst mal auf der anderen Seite dieses Hofes sind und diese Tür öffnen, muss doch auf der anderen Seite etwas sein — ein Gebäude? Ein weiterer Hof? Was?«
    »Nichts — hat unsereins doch gesagt.« Der Rabe plusterte sich gereizt. »Nicht mal die Tür. Auf der anderen Seite ist die Außenseite der großen Mauer. Dann Bäume und all so was. Grad so wie vorn. Weiter nichts.«
    Mehrfaches Nachfragen ergab, dass das, was wie ein Missverständnis geklungen hatte, tatsächlich die Wahrheit war: Laut Skurn, der das Gelände einige Male überflogen hatte, befand sich auf der anderen Seite dieser letzten Mauer mit der Tür, die sie sahen, gar nichts, und von außen deutete nicht einmal etwas auf die Existenz dieser Tür hin. Es war alles ein raffinierter Trick. Deprimiert ließ Barrick sich an der Innenseite des Torbogens zu Boden rutschen, doch Raemon Beck zog an seinem Arm.
    »Kommt, Hoheit, verzagt nicht. Wir sind fast am Ende.« Die Flickenkleidung des Mannes war jetzt fast so zerrissen und verdreckt wie Barricks eigene Sachen, die er seit Monaten am Leib hatte. Plötzlich fragte sich Barrick, wie er wohl für jemand anderen aussehen musste — wie er
roch.
    Prinz von Nichts und Niemandem,
dachte er wieder und fing an zu lachen. Es war ein solcher Lachanfall, dass er eine ganze Weile nur gekrümmt und nach Luft ringend dasaß.
    »Habt Ihr Schmerzen, Hoheit?« Beck zog wieder an ihm. »Ist Euch nicht gut?«
    Barrick schüttelte den Kopf. »Hilf mir auf«, sagte er schließlich, immer noch japsend. Er wusste nicht einmal, warum er lachte. »Du hast recht. Wir sind fast am Ende.« Nur dass er unter »Ende« etwas anderes verstand als Beck.
    Als er erst einmal stand, trat Barrick ohne Zögern — wozu noch länger warten? — aus dem Torbogen und ging über die gesprungenen, bröckelnden Steinplatten des leeren Hofs. Er bemühte sich, den Kopf hochzuhalten und tapfer auszuschreiten, obwohl er wusste, dass jeden Moment etwas von unten nach ihm greifen oder von oben auf ihn herabstürzen würde. Doch zu seinem müdigkeitsgedämpften Erstaunen krallten keine Hände nach ihm, und nichts Bedrohliches sprang aus dem Schattendunkel. Er und Beck gingen langsam, aber stetig über den Hof, bis sie an den Stufen standen und zu der großen, grauen Tür mit dem primitiven Metallknopf hinaufblickten.
    Skurn landete auf Barricks Schulter und krallte sich so nervös fest, dass es wehtat. Barrick streckte die Hand nach der Tür aus, darauf gefasst, dass ihn irgendetwas daran hindern würde — ein Geräusch, eine plötzliche Bewegung, ein qualvoller Schmerz —, doch nichts dergleichen geschah. Seine Finger schlossen sich um das rauhe, rostige Metall des Türgriffs, doch als er zog, rührte sich die Tür nicht im mindesten. Sie hätte auch Teil der Mauer sein können.
    Barrick packte den Knopf mit beiden Händen und zog noch fester, ohne Rücksicht auf seine

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