Die Daemmerung
schwach, dass er wankte und beinahe hinfiel. Er drehte sich hilflos zu Beck um, der ebenfalls schwankte.
»Tut weh ...«, stöhnte Beck. »Kalt ...«
»Nicht hinfallen!« Barrick rang darum, das Gleichgewicht zu halten; er wusste, wenn er ins Wasser fiele, würde er nicht mehr herauskommen, die Nebelgesichter würden ihm alle Kraft aussaugen.
Das
ist es — sie saugen uns aus wie Blutegel ...
Die kalten Stellen auf seiner Haut breiteten sich aus. Seine Kleidung schien ihn überhaupt nicht gegen diese Wärmefresser zu schützen. Es war wie Schüttelfrost — nur dass das hier außen begann und nach innen drang, wo es noch wärmer war ...
Wärmer innen,
dachte er benommen.
Wir sind alle innen wärmer. Sie wollen Wärme ...
Es war eine verrückte Idee, aber er wusste, ihm blieben nur Augenblicke, um irgendetwas zu tun. Er hob die linke Hand und zog Qu' arus' Klinge über seine Handfläche. Er spürte den Schnitt kaum, so als hätte er den Arm zuerst in Schnee getaucht, doch Blut quoll hervor und rann sein Handgelenk hinab. Barrick streckte den Arm aus, kämpfte darum, auf den Beinen zu bleiben, und ließ das Blut ins Wasser tropfen.
Sofort begann der Nebel zu wirbeln, um die Stelle zu kreisen, wo das Blut sich rötlich im Wasser verteilte. Der Nebel über dem Bassin verdichtete sich und nahm dann selbst eine leichte Rosatönung an, wie Wolken, die die Morgenröte reflektieren.
»Weiter!«, schrie Barrick, aber seine Stimme war so schwach, dass er sich nicht vorstellen konnte, wie Beck ihn hören sollte. Er ließ noch mehr Blut ins Wasser tropfen, machte dann einen schwankenden Schritt auf den nächsten Stein. Die Nebelfetzen kreisten noch einen Augenblick um das Blut, ehe sie wieder auf ihn zuglitten. Barrick schüttelte die ausgestreckte linke Hand, doch die Wunde blutete nur noch schwach. Er schnitt sich an einer anderen Stelle und ließ das Blut wieder ins Wasser tropfen. Selbst der Nebel um Becks Beine schien dünner zu werden, da ein Teil davon zu der Stelle wallte, wo Barricks Blut das Wasser färbte. Becks erster Schritt war wie der eines Mannes, der durch hüfthohen Schlamm watet, der zweite jedoch war schon etwas leichter, und gleich darauf wankten sie beide über die Trittsteine, der Sicherheit des anderen Hofendes entgegen.
Als sie endlich keuchend und zitternd im Torbogen zu Boden sackten, hatte Barrick sich noch an drei weiteren Stellen Schnitte zugefügt. Sein ganzer Unterarm samt Hand war rot verschmiert, nur wenige saubere Hautstellen leuchteten noch hervor wie Augen aus einem finsteren Wald.
Als Beck wieder zu Atem gekommen war, riss er Fetzen von seinen zerlumpten Ärmeln ab und wickelte sie um Barricks Wunden. Es waren nicht die saubersten Verbände, aber sie stillten immerhin das Blut.
Barrick blickte bedrückt über den nächsten Hof. Der hier schien auf den ersten Blick noch harmloser als die vorigen: eine ganz normale, mit Steinplatten gepflasterte Fläche, an deren anderem Ende Stufen zu etwas hinaufführten, das wie eine gewöhnliche, geschlossene Tür aussah — aber inzwischen wusste er es besser. »Was glaubst du, was uns diesmal erwartet?«, fragte er zynisch. »Ein Nest von Giftnattern?«
»Ihr werdet es bezwingen, Hoheit, was immer es ist.« Becks Ton veranlasste Barrick, sich zu dem Mann umzudrehen. War das Bewunderung, was er da sah? Jemand bewunderte den schmählichen Krüppel Barrick Eddon? Oder hatten die Schrecken des Tages in Becks Kopf irgendeinen Schaden angerichtet?
»Ich will es nicht bezwingen.« Barrick sah Skurn hoch über ihren Köpfen kreisen, weit weg von verhextem Gras und blutsaugendem Nebel. Wenigstens einer von ihnen hatte ein gewisses Maß an Verstand. »Ich will, dass jemand mit einem Sturmbock kommt und es einfach über den Haufen rammt. Ich bin das alles leid.«
Raemon Beck schüttelte den Kopf. »Wir müssen weiter. Es werden weitere Schrikkas kommen, um ihre Schwestern zu rächen, und noch einmal werden wir sie nicht auf diese Weise überrumpeln.«
»Schwestern?« Ihm wurde ganz übel. »Es sind wirklich Frauen?«
»Keine Menschenfrauen«, sagte Beck finster. »Dämoninnen vielleicht.«
»Dann also vorwärts, wie du sagst.« Barrick wusste, alles, was geschah und noch geschehen würde, war in gewisser Weise unausweichlich: Natürlich konnte er nicht zurück, so wenig wie er in seinem Leben zurückkonnte, um die Fehler zu korrigieren, die er bereits gemacht hatte. Er stand stöhnend auf. Die Taubheit von den Nebelbissen war abgeklungen, und jetzt
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