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Die Daemmerung

Die Daemmerung

Titel: Die Daemmerung Kostenlos Bücher Online Lesen
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versuchte sich an die Fechtlektionen zu erinnern, die Shaso ihm und Briony vor so langer Zeit erteilt hatte — damals, als die Welt noch einen Sinn ergeben hatte —, aber über den Messerkampf hatte sie der alte Tuani nicht viel gelehrt. Er konnte nur sein Bestes tun und um jeden Preis versuchen, die Waffe festzuhalten. Er kämpfte wie in Trance, während sich klebrige, weiße Fäden um seine Arme und Beine und sein Gesicht schlangen und ihm die Sicht nahmen Er rang mit den Seidenwicklern, packte sie an ihrer mit Blättern behafteten Wickelhülle, während er mit der Klinge nach ihnen stach. Sobald er einen niederzwang, trat der nächste an dessen Stelle; nach einer Weile sah er nur noch, was direkt vor ihm war, als ob der Rest der Welt sich verfinstert hätte. Er stach und schlitzte und stach und schlitzte, bis kein Quentchen Kraft mehr in ihm war, und fiel dann schließlich betäubt zu Boden, ohne zu wissen, ob er schon tot war oder noch lebte, und selbst das war ihm gleichgültig.

    »Hrrrm heid hrrr heckggnn?«, fragte ihn die Stimme immer wieder — eine Frage, auf die er keine Antwort parat hatte.
    Barrick öffnete die Augen und sah sich einem Alptraum gegenüber — einem Etwas, das einer verfaulten Apfelpuppe glich. Er schrie auf, aber aus seiner ausgedörrten Kehle kam nur ein heiseres Fauchen. Der Rabe flog mit angestrengtem Flügelschlagen auf, landete ein Stückchen weiter wieder und ließ das grässliche Etwas, das in seinem Schnabel baumelte, auf den weichen Boden fallen.
    »Warum seid Ihr weggegangen?«, wiederholte Skurn seine Frage. »Hat doch gesagt, Ihr sollt warten, unsereins. Hat gesagt, unsereins kommt zurück.«
    Barrick rollte sich herum, setzte sich auf und blickte sich panisch nach allen Seiten um, doch von den Angreifern war nichts mehr zu sehen. »Wo sind sie, diese Seidendinger? Wo sind sie hin?«
    Der Rabe schüttelte den Kopf, als ob er ein hoffnungslos dummes Küken vor sich hätte. »Genau wie unsereins gesagt hat. Das hier ist Seidenwicklerland und keine Gegend für Euch, allein umherzuwandern.«
    »Ich habe sie
besiegt,
du dämlicher Vogel?« Barrick mühte sich in den Stand. Jeder Muskel seines Körpers tat weh, aber in seinem verkrüppelten Arm war der Schmerz noch hundertmal schlimmer. »Ich muss sie alle getötet haben.« Doch auch die Seidenwicklerleichen waren verschwunden. Verdunsteten diese Kreaturen nach dem Tod einfach wie Tau?
    Barrick entdeckte etwas am Boden und bückte sich, um es mit seiner Speerspitze aufzuspießen. »Aha?« Triumphierend streckte er es dem Raben hin, wobei selbst sein gesunder Arm vor Erschöpfung zitterte. »Was ist das, hm?«
    Der Rabe beäugte das mit zerrissenen, schmutzigweißen Fäden verklebte Klümpchen von schwarzem Glibber. »Der Kot von etwas Krankem.« Interessiert untersuchte Skurn das Zeug. »Würde unsereins schätzen.«
    »Das ist von einem dieser Seidendinger! Ich habe es durchbohrt — ich habe sie alle aufgeschlitzt, und sie haben dieses ekelhafte Zeug hervorgeblutet.«
    »Oh. Dann sollten wir gehen«, sagte der Rabe nickend. »Beeilt Euch mit dem Essen. Werden bald wieder hier sein, die Seidenwickler, mit Verstärkung von ihresgleichen.«
    »Ha! Siehst du! Ich
habe
welche getötet!« Barrick hielt verwirrt inne. »Moment«, sagte er. »Mit welchem Essen?«
    Skurn stupste das Ding an, das er aus seinem Schnabel hatte fallen lassen. »Ist ein Folger. Ein junger, aber verflucht schwer zu tragen.«
    Der tote Folger war etwa so groß wie ein Eichhörnchen. Seinen kleinen runden Kopf dominierte ein gezacktes, großes Maul, was ihm etwas von einer zertretenen Melone verlieh. Die Knochenhubbel in dem schmierigen Fell waren rosig und weich, noch nicht zu grauen Höckern verhärtet wie bei den ausgewachsenen Exemplaren, denen Barrick an dem Tag begegnet war, als sie Gyir gefunden hatten. Das machte die Kreatur allerdings auch nicht appetitlicher. »Ich soll ...« Barrick starrte den Vogel entsetzt an. »Ich soll das da
essen ...?«
    »Einen feineren Leckerbissen werdet Ihr heut nicht mehr bekommen«, sagte der Rabe verärgert. »Wollte Euch nur einen Gefallen tun, unsereins.«
    Barrick hatte Mühe, nicht auf der Stelle fürchterlich zu speien.
    Als das Schlimmste überwunden war, straffte er sich. In einem hatte der Rabe zweifellos recht — es wäre unklug, zu lange an dem Ort zu bleiben, wo er die Seidenwidder getötet hatte.
    »Wenn du dieses ekelhafte Ding essen willst, dann tu's«, sagte Barrick. »Aber schaff es mir aus den

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