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Die Daemmerung

Die Daemmerung

Titel: Die Daemmerung Kostenlos Bücher Online Lesen
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sich seiner Angst nicht hin. Und darum ging es am Ende gut aus.«
    Wieder drückte Spatz ihre Hand.
    »Schon gut. Also hab keine Angst, Kleiner, wir werden einen Weg finden. Die Götter werden uns beistehen, und der Himmel wird uns bewahren.«
    Sie hielt ihn eine ganze Weile in den Armen, bis sie merkte, dass seine Atemzüge regelmäßig geworden waren. Spatz war endlich eingeschlafen.
    Wider alle Wahrscheinlichkeit hat der verkrüppelte junge Habbili überlebt,
dachte sie bei sich.
Wider alle Wahrscheinlichkeit. Doch um ihn
zu
retten, musste seine Mutter sterben.

    »Seid Ihr gläubig, König Olin?« Die goldenen Augen des Autarchen schienen noch glimmender als sonst.
    »Gläubig?«
    »Ja, glaubt Ihr an den Himmel?«
    »Ich glaube an meine Götter.«
    »Aha. Also seid Ihr
nicht
gläubig — jedenfalls nicht im alten Sinne.«
    »Was soll das heißen, Xander? Ich sagte doch, ich glaube an ...«
    »›An meine Götter‹, sagtet Ihr. Ich habe es wohl gehört.« Sulepis öffnete die langen Hände und hielt sie wie die beiden Schalen einer Waage. »Das bedeutet, Ihr akzeptiert, dass andere Völker einen anderen Glauben haben ... andere Götter. Diejenigen jedoch, die wahrhaft von ihrem eigenen Glauben überzeugt sind, sagen, es könne keine anderen Götter geben — der Glaube der anderen sei Aberglaube oder Teufelsanbetung.« Der Autarch lächelte. Für einen so schönen Mann hatte er ein unheimliches, furchterregendes Lächeln. Auch nach dem guten Jahr, das er Sulepis jetzt diente, hatte sich Pinnimon Vash immer noch nicht an dieses Lächeln gewöhnt. »Ich schließe daraus, dass Ihr nicht von dieser Art seid.«
    Olin zuckte die Achseln, wählte aber seine Worte vorsichtig. »Ich versuche die Welt, in der ich lebe, zu verstehen.«
    »Was heißt, es fällt Euch schwer, etwas so Törichtes zu akzeptieren wie die Idee, jedes Wort im
Buch des Trigon
sei wahr. O nein, Olin, erregt Euch nicht Ähnliches lässt sich auch über unsere
Offenbarungen des Nushash
sagen. Ammenmärchen.«
    Selbst der geübte Vash konnte einen kleinen Laut der Verblüffung nicht unterdrücken. Der Autarch wandte sich ihm zu und grinste. »Habe ich Euch verletzt, Minister Vash?«
    »N-Nein, o Goldener. Nichts, was Ihr tut, könnte mich je verletzen.«
    »Hmmm. Das klingt nach einer Herausforderung.« Sulepis lachte, ein helles, unbeschwertes Lachen wie das eines fröhlichen Kindes. »Aber im Moment befinde ich mich gerade in einem tiefsinnigen, philosophischen Gespräch mit König Olin, also wäre es vielleicht angenehmer für Euch, etwas anderes zu tun.« Sein Lächeln verschwand abrupt. »Mit anderen Worten — verschwindet, Vash.«
    Mit einer tiefen Verbeugung entfernte sich Vash aus dem Gesichtsfeld des Goldenen. Als er an dem Skotarchen Prusus vorbeikam, der kraftlos in seinem Sessel hing, meinte Vash, etwas anderes als die übliche Angst und Verwirrung in diesen wässrigen Augen wahrzunehmen. Hatte die leichtfertige Blasphemie des Autarchen den Krüppel etwa aus seiner Gleichgültigkeit geweckt? War dieses einfältige Geschöpf tatsächlich verletzt? Vash war leise amüsiert. Vielleicht schickte Sulepis ja den Falschen weg.
    Nachdem er die Hauptkabine erreicht hatte, stieg Vash, so schnell es seine alten Beine erlaubten, auf das darüber liegende Deck und ging dann wieder zu einer Stelle zurück, wo er den Autarchen hören konnte. Schließlich erreichte man ein Alter wie das seine nicht, indem man versäumte, worum es bei solch wichtigen Gesprächen ging, und da er auf diesem königlichen Schiff nun mal nicht über seine üblichen Mittel verfügte, musste er das Lauschen wohl oder übel selbst übernehmen, so entwürdigend und gefährlich es auch sein mochte.
    Sulepis sprach immer noch. »... Nein, es besteht kein Grund zur Zurückhaltung, König Olin«, sagte der Autarch gerade. »Den Weisen ist bekannt, dass die Altvorderen in den großen Religionsbüchern Geheinmisse niederlegten, die zu mächtig sind für die Ohren des gemeinen Volkes. Solches Wissen ist für die Elite — für Männer wie Euch und mich, die die tieferen Künste studiert haben und die Wahrheit hinter den farbenprächtigen Historienspielen der Geschichte kennen.«
    Vash beugte sich ein Stückchen vor, bis er den Hinterkopf des unter ihm an der Reling lehnenden Nordländerkönigs sehen konnte. Der Autarch war nicht sichtbar, doch an Olins gespannter Haltung konnte Vash ablesen, dass er ganz in seiner Nähe stehen musste: Wie gut der Oberste Minister doch die Nervosität

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