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Die Daemmerung

Die Daemmerung

Titel: Die Daemmerung Kostenlos Bücher Online Lesen
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Fräulein«, sagte Dawet. »Wie ich sehe, habt Ihr nachgedacht, und zwar scharf und gründlich ... aber ich fürchte, Ihr seid doch noch nicht die Meisterin der Intrige, für die Ihr Euch haltet.«
    »Ach?« Es wurde kalt, jetzt, da es dunkel war. Sie steckte die Hände in ihre Ärmel. »Und was ist mir entgangen?«
    »Ihr geht davon aus, dass ich Euer Freund bin und nicht Euer Feind.«
    Im nächsten Moment hatte Dawet durch die Ärmel ihre beiden Handgelenke gepackt und mit dem festen Griff einer Hand zusammengepresst. In der anderen Hand hielt er ein Messer, und die Klinge, die er ihr sanft an die Wange setzte, war länger und schmaler als Brionys Dolche.
    »Bastard? Elender ... Verräter? Ich habe Euch vertraut?«
    »Genau, edles Fräulein. Ihr habt mir vertraut ... aber warum? Weil ich Euch bewunderte? Weil meine Beine in wollenen Beinkleidern wohlgeformt wirken? Dabei war ich, als Ihr mich kennenlerntet, ein Mann des Mannes, der Euren Vater gefangen hielt — eine fragwürdige Grundlage für eine Freundschaft.«
    »Und ich habe Euch gut behandelt, als es sonst niemand tat.« Briony versuchte, langsam ihr Gewicht zu verlagern, um Dawet fest gegen das Bein zu treten, in der Hoffnung, ihm so weh zu tun, dass sie sich losreißen und ihren eigenen Dolch ziehen könnte. Lieber wäre es ihr gewesen, den Tritt höher anzusetzen — Shaso hatte sie gründlich gelehrt, welches im Nahkampf die empfindlichsten Stellen waren —, aber das verunmöglichten der Winkel und ihre Unterröcke.
    »Was nichts zur Sache tut, edles Fräulein. Ich versuche, Euch etwas klar zu machen.« Er beugte sich so dicht an sie heran, dass die schmale Klinge seinem eigenen Gesicht ebenso nah war wie ihrem. »Ihr haltet Männer fälschlich für moralische Wesen, als ob jeder das, was ihm an Gutem und Bösem getan wurde, messen und sich dann entsprechend verhalten müsste, als ob sie unbestechliche Richter wären, die ein Urteil abwägen.«
    Briony gab sich alle Mühe, nicht zusammenzuzucken. »Oh, ich weiß, Männer sind bestechlich ... und werden bestochen ... keine Sorge.«
    Sie trat zu, in der Hoffnung, ihn zu überraschen. Doch Dawet behielt ihre Handgelenke in seinem eisernen Griff, hakte sein Bein um ihr anderes Bein und zog ihr dieses weg. Briony rutschte von der Bank und wäre auf dem Boden gelandet, doch Dawet hielt sie immer noch fest, sodass sie zwischen seiner Hand und der Bank baumelte wie ein totes Reh vor einer Jagdhütte. Ihre Scham und Wut waren fast noch größer als ihre Angst. »Lasst mich los?«
    »Wie Ihr wünscht, edles Fräulein.« Er ließ sie los, und sie plumpste auf den Boden.
    Sofort war Briony wieder auf den Beinen, ihren Dolch in der Hand. »Wie könnt Ihr es wagen! Wie könnt Ihr ...«
    »Wie kann ich was?« Sein Gesichtsausdruck war emotionslos, fast schon grausam, und das war gut so. Hätte er gelächelt, hätte sie ihn vielleicht zu töten versucht. »Euch zeigen, wie töricht Ihr seid? Ihr seid ein kluges Mädchen, Briony Eddon, aber Ihr seid trotzdem nur das — ein Mädchen. Eine Jungfrau sogar, wie ich nicht bezweifle. Begreift Ihr, wie Ihr Eure eigene Sicherheit und die Interessen Eurer Familie gefährdet habt, indem Ihr einfach so hierherkamt?«
    Der Yisti-Dolch in ihrer Hand wackelte. »Ihr ... Ihr wollt mir gar nichts tun?«
    »Bei der Großen Mutter, Prinzessin, haltet Ihr mich für so dumm, eine weißhäutige Nordländerin in einem Nordländerpalast verletzen zu wollen, in Hörweite von mindestens hundert bewaffneten Wachsoldaten — ohne ihr den Mund zuzuhalten?« Er schüttelte den Kopf. »Sagt, dass ich Eure Intelligenz nicht dermaßen unterschätzt habe und umgekehrt.«
    »Ihr hattet ein Messer an meinem Hals!«
    »Wenn ich Euch wirklich etwas hätte antun wollen, hätte ich Euch entwaffnet.« Er ließ den Arm vorschnellen, so blitzartig wie einst Shaso, wenn nicht noch flinker, und katapultierte ihr mit seiner Klinge den Dolch aus der Hand. Der Dolch flog davon und verschwand lautlos im tiefen Schattendunkel des Umrandungsbeets. »Geht ihn suchen. Ich werde warten. Er sah nicht aus wie die Art Dolch, die man gern verliert.«
    Als sie zurückkam, hatte sie den Yisti-Dolch wieder im Ärmel. »Wenn ich nicht dieses elende Kleid tragen müsste, hätte ich beide Dolche gezogen, und mindestens einer hätte Euer Blut vergossen.«
    Er grinste bar jeder Heiterkeit. »Dann sollten wir beide froh sein, dass Ihr es nicht getan habt, denn ich bin mir ziemlich sicher, dass es nicht so leicht und glatt gegangen

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