Die Daemonen 01 - Die Daemonen
alleine. Wir anderen können ruhig abwarten, ohne die Aufmerksamkeit von Feuer und Rauch überhaupt auf uns zu ziehen. Nun haben wir abgewartet. Und nun fällt statt Helingerdia Irathindurien über uns her, weil wir die Gelegenheit versäumt haben, die beiden miteinander ringenden Usurpatoren anzugreifen und niederzuhalten.«
»Ihr begeht weiterhin einen Denkfehler«, entgegnete König Tenmac sachlich. »Damals habt Ihr mich um Hilfe gegen Helingerdia ersucht. Hätte ich dieser Bitte stattgegeben, hätten wir Helingerdia bekämpft, und Irathindurien hätte noch leichteres Spiel gehabt, Helingerdia zu besiegen. So sind die Truppen der Göttin durch die Gegenwehr des Zweiten Baronats immerhin einigermaβen geschwächt worden.«
»Aber was sollen wir jetzt tun?«, haderten die Emissäre. »Einfach nur zurückweichen und unsere Länder preisgeben? Wann wehren wir uns denn endlich?«
Gäus wand sich unbehaglich auf seinem Thron. Er beriet sich mit Tanot Ninrogin. Beide waren sich einig, dass ein Krieg gegen Irathindurien eine furchtbare Sache war, dass jetzt aber wohl die letzte Gelegenheit bestand, die wahnsinnige Göttin überhaupt noch in die Schranken zu weisen. Noch hatte der König vier Baronate hinter sich, von denen nur ein Einziges, das Erste,bereits überrannt wurde. Die Truppen des Ersten Baronats jedoch hatten sich klug ins befreundete Neunte zurückgezogen und standen so weiterhin zur Verfügung.
»Ich fürchte«, sagte Tanot Ninrogin, der ergraute Berater, »dass wir eine Entscheidungsschlacht werden suchen müssen. Sonst kippen die Baronate einzeln wie Spielsteine, und am Ende steht die Göttin vor unseren Mauern und setzt Orison-Stadt in Brand.«
Gäus zögerte, zögerte wertvolle Tage lang. Er dachte an das mit einem Handschlag besiegelte Versprechen, das er und Irathindur sich nach der Flucht aus dem Dämonenschlund gegeben hatten. Würde Irathindur sich daran halten, keinen Krieg gegen Gäus zu führen? Aber hatte Irathindur dieses Versprechen nicht bereits gebrochen, indem er in das Erste Baronat einmarschiert war?
Etwas Bedeutsames war mit Irathindur geschehen. Augenzeugen zufolge entsprach die körperliche Erscheinung der Göttin mittlerweile dem Aussehen des Dämons Irathindur, nur mit langen Haaren und annähernd weiblichen Zügen. Auch war die Macht, über welche die Göttin in den Schlachten zu gebieten schien, die vielen Wunder, die ihr zugesprochen wurden, vollkommen unerklärlich. Bislang war Irathindur, abgeschnitten von der niemals versiegenden Quelle des Gramwaldes, doch der Schwächere von ihnen beiden gewesen, derjenige, der unter Anfällen und Ausfällen zu leiden hatte. Allem Anschein nach hatte Irathindur eine neue Quelle der Lebenskraft entdeckt. Möglicherweise war es das Morden des Krieges selbst. Ein solches Dasein, sich vom Metzeln der Menschen zu nähren, war immerhin konsequent damönisch.
Dennoch hatte Gäus immer noch das Gefühl, Irathindur jederzeit niederwerfen zu können. Nicht nur aufgrund des Gramwaldes. Sondern auch, weil Gäus kräftiger und mehrgliedriger war als der schmächtige Irathindur.
Dann jedoch – der König hielt seinen Berater und alle Emissäre immer noch durch Zweifel und Bedenken hin – erreichte ihn die Nachricht, dass die Göttin ihre Truppen beim Seental in zwei annähernd gleich groβe Hälften aufgespalten hatte und die eine dieser Hälften von Eugels aus auf Schiffen in südlicher Richtung unterwegs sei.
Weshalb?
Sie brauchte doch lediglich die vier noch königstreuen Baronate von Norden nach Süden zu durchqueren und sie dabei Schritt für Schritt zu erobern. Auch wenn sich ihr irgendwann die von König Tenmac koordinierten Baronatsheere zur Entscheidungsschlacht entgegenstellen würden, war es von strategischem Vorteil, das eigene Heer nicht zweigeteilt, sondern geschlossen zu halten. Was hatte Irathindur vor?
Eigentlich gab es nur einen einzigen Grund, weshalb Irathindur Truppen bei Eugels einschiffte: Er wollte Landstrecke umgehen. Ein Vorhaben, bei dem es auf Schnelligkeit ankam. Und es gab südlich von Eugels nur ein einziges lohnendes Ziel: der Gramwald im Achten Baronat.
Jetzt also machte Irathindur seine Ankündigung, sich den Gramwald zu holen, wahr. Aufgrund seines umständlichen Weges, durch ganz Helingerdia und danach die königstreuen Baronate zu ziehen, anstatt einfach denviel kürzeren Weg durch das Siebte Baronat zu nehmen – oder sogar den allerkürzesten: von Anfang an übers Meer westwärts nach Ekuerc –, war es
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