Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Daemonen 01 - Die Daemonen

Die Daemonen 01 - Die Daemonen

Titel: Die Daemonen 01 - Die Daemonen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tobias O. Meißner
Vom Netzwerk:
ihm tatsächlich gelungen, Gäus lange Zeit über seine wahren Absichten im Unklaren zu lassen. Aber nun war es offensichtlich geworden. Der Pakt zerbrach wie eine Porzellantasse in den Pranken einer Bestie.
    Gäus spürte etwas in sich aufsteigen und rumoren, was ihm bislang vollkommen fremd gewesen war: Todesangst.
    Eigentlich kann ein Dämon ewig leben. Im Dämonenschlund ist diese Ewigkeit zwar eine niemals endende Tortur der Langeweile, aber dennoch braucht ein Dämon sich keine Sorgen darüber zu machen, ausgelöscht zu werden. Die jetzige Situation war allerdings eine vollkommen andere. Außerhalb des Dämonenschlunds gab es keine Gesetze als die, welche die entkommenen Dämonen sich selbst schufen. Irathindur war ohnehin schon sehr mächtig, woher auch immer er seine offensichtlich immense Lebenskraft bezog. Wenn er sich aber nun auch noch den Gramwald aneignete, könnte er unbesiegbar werden; seine Macht würde jedes bislang geläufige Maβ bei Weitem übersteigen. Und da Irathindur sich ohnehin schon verwandelt und seiner dämonischen Natur nachgegeben hatte, da er den Pakt gebrochen hatte, da er das Töten und die Grausamkeit förderte und genoss, wie ein wohlhabender Mäzen Musik fördern und genieβen mochte, konnte Gäus sich ausrechnen, dass Irathindur ihn vernichten würde. Für Irathindur war Gäus nichts weiter als einer, der vom selben Teller mitessen wollte, sodass für jeden von ihnen nurnoch die Hälfte übrig blieb. Irathindur – der nun vollständig dämonisch-göttliche Irathindur – würde sich mit der Hälfte nie und nimmer zufriedengeben. Es ging hier also nicht mehr nur um etwas so Abstraktes wie das Wohl und Wehe von Orison, Land und Stadt. Es ging um Gäus und seine weitere Existenz, egal in welcher Form, ob als König oder als Laus auf einem verschimmmelten Blatt. Es ging um Weiterleben oder wahrhaftigen Tod.
    Als diese neuartige und beinahe berauschende Todesangst ihn packte und beutelte, fiel Gäus auf, wie sehr die Welt, in der er nun lebte, dem Dämonenstrudel glich. Er residierte in einer kreisförmigen Stadt, die wiederum bis vor Kurzem von einem Ring aus Belagerern umgeben gewesen war, welche sich wellenförmig nach hinten zurückgezogen hatten, weil ein Dämon in einer gigantischen Kreisbewegung das strahlenförmig gegliederte Land durchmaβ, um den Ring aller Baronate unter sein Joch zu zwingen. Kreise in gegenläufigen Kreisen. Gäus hatte sich nie wirklich aus dem Strudel herausbewegt. Aber das war selbstverständlich eine rein philosophische Betrachtungsweise, mit der Gäus vielleicht einen gebildeten Menschen wie Tanot Ninrogin zum Schmunzeln bringen mochte, mit der er jedoch das Flammenschwert, in das Irathindur sich verwandelt hatte, nicht einen einzigen Augenblick lang beeindrucken konnte.
    Er musste eine Entscheidung treffen.
    Wie brachte man einen Krieg zum Erliegen – wenn nicht durch einen Krieg?
    Wie löschte man ein Flammenschwert – wenn nicht mit einer Woge aus Zorn?
    Wie beendete man eine Kreisbewegung – wenn nichtdurch eine Mauer, einen Abgrund, eine Gegenbewegung, eine Konfrontation?
    »Vielleicht«, dachte er, sich den Schädel des Königs zermarternd, während er im Mosaikhof des königlichen Gartens dem königlichen Zierwild beim Äsen zuschaute, »indem man dem Krieg die Nahrung entzieht. Indem man der Bewegung den Grund unter den Füβen wegreiβt.«
    So machte er sich auf. Er überlegte noch, ob er den Leib des Königs abstreifen und fliegen sollte, aber was er vorhatte, war gefährlich. Was, wenn er geschwächt zurückkehrteundTenmacIII. inzwischenmitTanotNinrogins Hilfe Vorkehrungen gegen eine neuerliche Inbesitznahme getroffen hatte? Nein, es war besser, den König wie eine Geisel mitzunehmen. Auβerdem bestand der Belagerungsring nicht mehr. Gäus ritt zum Gramwald.
    Auch dort fand er Wild, farbenfroh und unbejagt. Er streichelte einige der zutraulicheren Tiere, die ihrer Neugier nachgaben und sich dem König näherten. Wo sonst in Orison konnte ein Dämonenkönig akzeptiert werden, wenn nicht hier, in einem Zauberwald, in dem nachts Blüten das tagsüber aufgesogene Licht der Sonne wieder abgaben und am Tag Bäume wie Mondschatten waberten? In dem der Nebel bunte Schlieren aufwies, die wie Edelsteine funkelten, und in dem hohe Gräser sich bewegten wie schlanke Tänzerinnen mit lockenden Hüften. In dem man die vielfältigen Gerüche zu sehen glaubte und das Spiel der Lichter in den Blättern wie Glöckchen klingeln hören konnte. In dem

Weitere Kostenlose Bücher