Die Daemonen 01 - Die Daemonen
herbeizuführen. Sie war eine Springflut, ein Waldbrand, eine Revolution, ein Erdbeben, eine gewaltige Kollision. Die Truppe hatte anschließend nichts anderes mehr zu tun, als die Krater und Pfützen zu durcheilen und hinter sich zurückzulassen.
Vo-raaaaan. Vo-raaaaan. Ohne Unterlass vo-raaaaan.
Minten wurde irgendwann müde, so müde, dass er die Augen kaum noch aufhalten konnte und seine Füße nur noch schlurften. Dann aber hatte er plötzlich das Gefühl, aus der geborstenen Erde selbst wehe ihn ein Hauch an, ein leidenschaftlicher, lusterzeugender Atemdunst der Göttin. Und dann ging es wieder. Vo-raaaaan. Vo-raaaaan. Ohne Unterlass vo-raaaaan.
Die Sonne ging auf und versank gleich wieder. Der Sturmlauf fühlte sich irgendwann an, als fände er auf Rädern statt, als müsste man sich gar nicht mehr mühen, um voranzukommen, sondern sich lediglich festhalten, um nicht zu kentern und unter die Sohlen der anderen zu geraten. Taisser Sildien trug begeistert seine hübsche Offizierin huckepack. Minten Liago setzte über Gegner hinweg und spaltete im Vorüberfliegen ihre unbeträchtlichen Schädel.
Mehrmals noch sah er die Göttin irrlichtern. Ein goldenes Funkeln, von Blitzen umtost wie von einem sich bauschenden Kleid. Ihre Haare waren Speere, Schlangen oder Peitschen. Einmal sah er sie zehn Schritt groß und transparent. Das Hauptschloss des Zweiten Baronats, das erst vor wenigen Wochen von Eiber Matutin abgefackelt und seitdem erst zu einem Bruchteil wieder aufgebaut worden war, brannte heller, heißer und schneller als jedes andere Feuer, das Minten jemals zuvor in seinem Leben gesehen hatte. Es war, als würde diese skelettartige Vision eines Bauwerks aus purem Brennstoff bestehen. So heiß war das Lodern, dass es Minten Armhaare und Augenbrauen versengte, obwohl er doch mehrere hundert Schritt entfernt damit beschäftigt war, flüchtendes Gesinde hinzuschlachten. Er sang dabei ein Lied aus vielen Kehlen:
Für der Göttin Gold und Strahlen,
Irathindurs Siegeskranz.
Pinsel taucht in Blut zum Malen
Siegerbild, Triumphesglanz.
Hoch die Flamme lodert helle,
Schrift wird Rauch und Rauch wird Schrift,
Bergesgipfel, Stromesschnelle
beugen sich, wo Gold sie trifft.
Irathindur siegt zum Himmel,
Irathindur ewiglich!
Über allem Menschgewimmel
lacht die Göttin, unsterblich!
Schön und groß und ohne Milde
– weil doch Gnade Schwäche ist –
liebt sie alles Starke, Wilde,
während sie das Schwache frisst.
Göttin, Liebste! Lass auch meinen
Leib dir Nahrung sein und Trank,
lass ihn fließen in den deinen,
mir zum Lohn und dir zum Dank.
Lass mich sehen, lass mich spüren
deine Hitze, Helle, Macht.
Mich zum Throne kannst du führen
in den Tiefen einer Nacht!
Göttin! Sieh! Für dich ich morde,
wüte, treibe, sterbe, bin,
einer nur aus deiner Horde,
doch nach dir nur strebt mein Sinn.
Göttin! Bade mich im Blicke,
lächle huldvoll zu mir her –
tot bin ich und doch im Glücke:
Menschenschwere, menschenleer.
Keiner der Irathindurianer wusste, woher diese Zeilen stammten, wer die dazugehörige Melodie ersonnen hatte. Doch alle sangen sie während der Schlacht, und durch nichts anderes in der Welt hätten sie mehr dazu beitragen können, dass ihre Feinde vor Furcht und Entsetzen zu winseln begannen.
Der Sieg war so endgültig, dass hinterher nicht einmal mehr Reste des gegnerischen Heeresübrig waren, mit denen man irgendwelche Kapitulationsbedingungen hätte aushandeln müssen. Helingerdia und seine Verbündeten waren ausgelöscht, ausgemerzt und ausgerottet. Auch Oloc war gefallen. Der bullige Faustkämpfer hatte zwar versucht, sich mit seiner kleinen Einheit nach Osten abzusetzen, aber die Göttin höchstpersönlich hatte die gesamte Truppe eingeholt und mit Blitzen gepfählt.
Nun breitete sich ein erschöpfter, schlaffer Frieden aus wie Wasser, das aus einem lecken Fass sickert. DieGöttin ging unruhig auf und ab, denn noch immer schlugen ihre Fingernägel Funken, pulsierte ihre Haut rissig wie Magma und peitschten ihre Haare Rinde von rußigen Bäumen.
»Matutin«, zischte sie einem ihrer Untergebenen zu. »Schafft mir den Schwächling unter die Augen.« Der Heereskoordinator wurde herbeigetragen, auf einer Leichenbahre, obwohl er noch am Leben war.
»Matutin«, begann die Göttin erneut. »Es ist noch nicht zu Ende. Jetzt nehmen wir ganz Orison im Handstreich. Die Soldaten sollen einen Tag rasten, aber nur einen einzigen Tag. Dann marschieren wir weiter nach Westen. Wir nehmen
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