Die Daemonen 01 - Die Daemonen
allen Tieren etwas Göttliches anhaftete und alle Menschen zu heulenund wehklagen begannen wie etwas, das nicht ganz so menschlich war.
Gäus liebte diesen Wald, nicht nur, weil er ihn nährte und am Leben erhielt, sondern auch um seiner freien und wilden Schönheit willen. Er hatte vorher nicht gewusst, dass ein Dämon überhaupt lieben konnte. Menschen waren zu flüchtige und flatterhafte Existenzen, um Liebe in sie zu investieren – aber es war richtig:Man musste ja nicht Menschen lieben! Man konnte diese dunkelblaue Blume dort lieben, weil sie wuchs und standhielt und ertrug und strahlte, und man konnte jenen Baum lieben, weil er hoch war und alt und knorrig und dennoch gerade und stolz und eben nicht ewigwährend wie ein Dämon, sondern sich seiner Jahrhunderte währenden Vergänglichkeit durchaus bewusst. Bäume zählten ihre Jahre als Leibesringe. Keinem Dämon wäre es jemals eingefallen, die Umdrehungen des Dämonenschlundstrudels zu zählen und sich anhand dieser Maβeinheit über das dumpfe Getriebensein zu erheben.
Warum waren Gäus und Irathindur überhaupt geflohen? Weil sie im Strudel körperlos gewesen waren. Körperloses, eintöniges Dahintreiben – die unendliche Verbannung, die der Magier Orison den Dämonen zugedacht hatte. Frei von Marter oder Fron. Einfach nur zielloses Schlingern. Und dann die beiden Ohrringe des Königs: stofflich, kalt, real. Welche Möglichkeiten und Richtungen! Festigkeit. Bestimmtheit. Und was hatten Gäus und Irathindur daraus gemacht? Sie hatten einen weiteren Dämonenstrudel erzeugt.
Mit Tränen in den Augen lieβ Gäus diesen Wald des Friedens in Flammen aufgehen und trank gleichzeitigvon ihm. Wenn diese Quelle denn versiegen sollte, wenn er von nun an mühsamst die Lebenskraft aus Ackerfurchen und aufgebrochenen Käfern klauben musste, wollte er sich zumindest dieses eineMal noch richtig satt und prall trinken, um für die abschlieβende Begegnung mit seinem göttlichen Widersacher gerüstet zu sein. Einen Teil der unbeschreiblichen Macht verwendete er darauf, allen Tieren bis hin zum niedrigsten Wurm ein schmerzloses, schnelles Ende zuzuteilen. Die Tiere wurden Asche und eins mit dem lodernden Grund. Ein paar Vögel entkamen dem Inferno, aber das war Gäus nur recht. Sollten sie leben. Sollten sie neue Gramwälder gründen irgendwo, wo es keinen Dämon gab.
Während der Wald brannte, dämmerte Gäus, dass er die Tiere auch durchaus alle hätte leben lassen können. Er hätte sie nur zu vertreiben brauchen und diesen Wald dennoch dauerhaft vernichten können. Scham und Wut über seine Kurzsichtigkeit zwangen ihn zu Boden, aber das Zucken der Kraft, die der sterbende Wald verströmte, riss ihn wieder empor, bis er über dem kochenden Boden schwebte.
Der Wald krepierte, und seine vormals unterirdische und nun überirdische Kraft bäumte sich auf. Die Menge an sich ziellos entladender, funkensprühend umherspritzender und gellend schreiender Lebenskraft spottete jeglicher Beschreibung. Gäus spürte, wie ihm Tenmacs Leib in Fetzen gerissen wurde. Auch er brüllte, mächtiger als jemals zuvor und dennoch haltlos umhergeschleudert wie ein brennender Schmetterling im Drucksturm eines Vulkanausbruches. Dann war es vorbei.
Er hatte verbrannte Erde geschaffen. Irathindur würde nichts anderes mehr vorfinden als Asche und Schwäche, wo vorher Blühen und Kraft gewesen war.
Gleichzeitig spürte Gäus, dass der Körper König Tenmacs nun nichts anderes mehr war als ein geborstenes Gefäβ. Bei einer Berührung mit Irathindur würde der zarte Jünglingsleib des Königs entweder schmelzen oder platzen. Gäus konnte aber auch den Körper nicht einfach so aufgeben und ein Geist bleiben, sonst würde er in seiner jetzigen Kraftfülle detonieren, eine Sonne werden und brausend hinaufrauschen in das keinerlei Halt bietende Blau. Er musste sich unbedingt in zusätzliches Material hineinzwingen, Menschenmaterial, das ihm Festigkeit verleihen würde. Stofflich. Kalt. Real. Bestimmt.
Als er tosend und flackernd wie ein wahnwitzig gewordener Leuchtturm Richtung Küste torkelte, unablässig schnatternd wie ein weiβglühender Schwan und Asche in jedem seiner Fuβstapfen hinterlassend, fand er eine Kirche. Hinter dieser Kirche lag ein Totenacker. Dort fand er, was er brauchte. Er wühlte sich in ein frisches Grab und in den noch kaum verwesten Leichnam eines dicken Mannes. Diesen zwang er, aufwärts durch die Erde zu brechen wie ein Maulwurf. Dann tat er sich endlich keinen Zwang
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