Die Daemonen 01 - Die Daemonen
Heeresbereich mit ein und signalisiertesomit subtil, dass er an Matutins Posten ausgesprochen interessiert war. Selbstverständlich versprach sich Faur Benesand durch diese Vorstöße auf den Baronatsaudienzen nicht allein berufliche Vorteile, sondern hoffte, die Baroness möge ihn mit gesteigerter Aufmerksamkeit bedenken. In letzter Zeit loderte Meridienn zwar nicht mehr ganz so sinnlich-verdorben wie früher und vernachlässigte auch leider ihren Hang zur extravagant enger Kleidung, erstrahlte jedoch in einer ihrer vierzig Lenze spottenden mädchenhaften Aufgeblühtheit. Die Baroness aber beachtete ihn kaum. Viel mehr interessierte sie sich für alles, was ihre Koordinatoren vorschlugen und zu bedenken gaben, und damit zogen sich die Baronatsaudienzen auf das vielfache ihrer ursprünglichen Dauer in die Länge.
Einige der Koordinatoren begannen zu murren.
Das Volk jedoch lernte eine neue Baroness kennen. Sie mischte sich nicht nur ganz ungezwungen und natürlich unter das hektische Treiben der öffentlichen Märkte, sie tauchte sogar unangemeldet und von keiner großen Eskorte abgeschirmt bei bürgerlichen und bäuerlichen Hochzeiten, Bestattungen und sonstigen Festen auf. Geschuldet war dies natürlich Irathindurs großer Neugier. Er wusste so wenig über die Menschen, dass er möglichst viel über sie in Erfahrung bringen wollte, und zwar nicht aus staubigen Büchern, sondern aus Klängen, Farben und Bewegungen. Warum und wozu küssten sie sich? Wie funktionierte der körperliche Liebesakt, der oft mit dem Küssen einherging? Warum versprachen sich zwei Menschen einander für den Rest ihres Lebens? Woran und wie starben sie und wie gingen die Hinterbliebenenmit dem Tod eines Angehörigen um? Worüber freuten sie sich, wie feierten sie, weshalb betranken sie sich so gerne und bewegten sich nach vorgegebenen Mustern zu Musik? Welche Nahrung nahmen sie zu sich? Welche Art von Speisen mussten sie vermeiden, um nicht daran zu erkranken? Welche anderen, nicht mit der Nahrungsaufnahme zusammenhängenden Krankheiten gab es und welchen Zweck erfüllten sie im großen allgegenwärtigen Rätselspiel des Lebens? Warum waren die meisten Lebewesen zu Anfang klein und wurden erst später größer? Wieso war bei Nacht das Gleiche anders als bei Tage? Was bedeutete es, wenn ein Mensch zum Lachen das Gesicht verzog oder zum Weinen Tränen aus seinen Augen presste?
So ein menschlicher Körper war für Irathindur ein niemals versiegender Quell der Begeisterung. Der Körper erzeugte seine Lebenskraft nämlich selbst und war somit von der Lebenskraft, die für Dämonen so überaus daseinsnotwendig war, vollkommen unabhängig. Vorausgesetzt, man führte einem Menschenkörper Nahrung zu und Getränke, ließ ihn mehrere Stunden pro Tag oder Nacht ruhen – was für ein neuartiges Wunder das übrigens für Irathindur war: der erquickende Schlaf und sogar das angenehme Gefühl der Müdigkeit davor! –, setzte ihn keiner allzu großen Hitze oder Kälte aus, hielt ihn einigermaßen trocken und von giftigen Kräutern und Beeren fern – vorausgesetzt, man tat all das, konnte so ein menschlicher Körper gut und gerne sechzig, siebzig, sogar achtzig Jahre lang halten. Der Körper der Baroness, der schon nicht mehr ganz taufrisch war, vielleicht noch dreißig, vierzig Jahre, aber daswar ja auch schon ein lohnender und vielversprechender Zeitraum bis zum nächsten nötigen Wirtskörpersprung. Der sechsarmige Gäus hatte es wahrscheinlich sogar noch besser getroffen – der Körper des Königs war noch keine zwanzig Jahre alt, und Gäus konnte ihn für fünfzig bis sechzig weitere Jahre bewohnen, ohne weiterziehen zu müssen.
Allerdings konnte man ja jederzeit weiterziehen, wenn man das wollte. Das Alter schien eine Sache zu sein, dem die meisten Menschen nur wenig abgewinnen konnten. Falls es in einem alten Leib zu mühsam wurde, konnte Irathindur jederzeit in einen jüngeren wechseln. Alldieweil wurde der Dämon den Verdacht nicht los, dass das Alter bei den Menschen nur deshalb in so schlechtem Ruf stand, weil es die unweigerliche Vorstufe des Todes darstellte. Wenn man den Tod nicht zu fürchten brauchte, verlor das Alter seinen Schrecken.
Nachdem sich Irathindur im Leib der Baroness so behaglich eingerichtet und über all die interessanten Dinge des Daseins seine Nachforschungen begonnen hatte, stellte sich für ihn natürlich auch die Frage nach dem eigenen sinnlich-körperlichen Erlebnis. Alter, Krankheit, Hitze, Kälte, Tanzen,
Weitere Kostenlose Bücher