Die Daemonen 02 - Freiheit oder Finsternis
Königin. »Und Nebel ist nicht kalt oder warm. Wir werden uns an ihn gewöhnen lernen. Die Coldriner werden uns dabei helfen. Und letzten Endes werden wir ja nicht für immer dort bleiben. Vielleicht seid ihr alle nächstes Jahr um diese Zeit wieder in den Häusern Orisons, ob in den alten oder in neu aufgebauten.«
Im Inneren Schloss des Dritten Baronats konnten Vorräte aufgefüllt werden. Die Menschen transportierten auf Eseln, Ackergäulen und Ochsenkarren alles, was ihnen lieb und teuer war, aber mit jedem verstreichenden Tag der Flucht blieben mehr Wertgegenstände im Schnee zurück und wurden durch Proviant und Wasservorräte ersetzt.
Aus den Inneren Schlössern der Ersten, Zweiten, Dritten und Vierten Baronate und auch aus den umliegenden Dörfern und Gütern fügten sich weitere Flüchtlingsströme an. Die Menschen hatten noch genug zu essen, weil man fortwährend an Ortschaften vorüberkam,die aufgelöst wurden, damit ihre Einwohner sich der Flucht anschließen konnten.
Dennoch kam es schon jetzt zu Verteilungsreibereien. Der Königin blieb keine andere Wahl, als aus den übrig gebliebenen Soldaten der Schlösser eine Art Ordnungstruppe zusammenzustellen. Hundert Gestalten in unterschiedlichsten Uniformen sahen sich einem Flüchtlingsschwarm aus inzwischen gut 20 000 Enteigneten gegenüber.
Die Königin musste erneut das Wort ergreifen.
»Die wenigen Berichte, die wir über das uns im Nacken sitzende Dämonenheer erhalten konnten, besagen übereinstimmend, dass die Dämonen ein ziemlich wüster, ungeordneter Haufen sind, dem es an Disziplin und Einvernehmen mangelt. Umso wichtiger ist es, dass wir uns von diesen Dämonen unterscheiden! Wir sind in der Unterzahl, also lasst uns in der Art, wie wir schwesterlich und brüderlich miteinander umgehen, eine Übermacht bilden.«
»Es ist leicht, von Schwesterlichkeit zu sprechen«, meldete sich wieder die bereits vertraute Stimme der stolzen Mutter, »wenn man Königin ist und keine Kinder hat, die die Nächte durchhusten.«
»Bewege ich mich auf einem anderen Weg nach Norden als ihr?«, nahm Lae die Herausforderung direkt an. »Spüre ich den kalten Wind nicht? Reicht man mir etwa jeden Tag Wildbret, oder nehme ich nicht auch mit trockenen Broten und Schmelzwasser vorlieb? Es stimmt, dass ich keine leiblichen Kinder zur Welt gebracht habe. Mein Dienst am Land ließ mir für die Freuden und Sorgen der Mutterschaft niemals Raum. Aber 20 000 meiner Kinder sind heute hier versammelt,und es werden ständig mehr. Und wenn sie die Nächte durchhusten, raubt mir das vor Sorge den Schlaf.«
Sie spürte tatsächlich ihr Alter. Wie sechzig kam sie sich in den klammen Stunden des Morgens vor. Und hässlich fühlte sie sich auch. Mehrmals ertappte sie sich bei dem Gedanken, dass Taisser sie nicht nach Norden begleitet hatte, weil er im Süden ein jüngeres Liebchen besaß. Aber das war natürlich Unfug. Das waren Gedanken des Graupels. Taisser war niemals gereist, war einundzwanzig Jahre lang an ihrer Seite geblieben. Treuer als die meisten Männer. Lae vermisste ihn schmerzlich und gestattete sich dennoch nicht zu weinen. Sie war schließlich die Königin. Das Licht, zu dem die Menschen im schweigenden Sturm aufblickten.
Stattdessen holte sie Erkundigungen ein über diese Mutter, die ihr bei jeder ihrer Ansprachen die Stirn bot. Der Name der Frau war Lehenna Kresterfell. Wie Lae bereits vermutet hatte, war Lehenna Kresterfell im irathindurischen Krieg aufseiten der goldenen Göttin Soldatin gewesen. Dann war ihr ein Versorgungsviehwagen der eigenen Truppe über die Beine gerollt und hatte sie verkrüppelt. Seitdem ging Lehenna Kresterfell langsamer und steifbeiniger als andere Menschen und musste von ihren Kindern oft gestützt werden. Ihr Geist jedoch war wach und kritisch.
Lae ging zu Lehenna hin. »Mein Berater ist auf einer wichtigen Mission im Süden des Landes unterwegs. Könntest du dir vorstellen, hier im Norden als meine Beraterin zu fungieren?«
Lehenna Kresterfell lächelte. Aus der Nähe sahen ihre Beine, die in schweren Hosen steckten, knotig aus wieÄste. »Majestät, Ihr wollt mich nur an Eure Seite holen, damit ich Euch nicht mehr ins Wort fallen kann.«
»Nein. Ich möchte, dass du mir ins Wort fällst, bevor ich mich an die Menschen wende. Denn meinst du nicht auch, dass die Menschen nicht schon genug mit Mängeln konfrontiert sind? Glaubst du nicht auch, dass es sinnvoller wäre, ihnen Stärke und Richtung zu geben, anstatt sie andauernd mit
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