Die Daemonen 02 - Freiheit oder Finsternis
sich einen Baum, der eine geräumige Astgabel in leicht zu erkletternder Höhe bereithielt, enterte dort hinauf und legte sich hinein.
Die vielfältigen Geräusche des Waldes begleiteten ihn in wohlige, verdiente Müdigkeit. Taisser fühlte sich jung und körperlich wie schon seit Jahren nicht mehr. Das Schwimmen, das Klettern, das einsame Durchstreifen einer Wildnis erschienen ihm wie ein vollkommen neuer, aufregender Abschnitt seines Lebens. Auch in seiner Jugend schon hatte er lieber herumgesessen und mit anderen Karten gespielt, anstatt zu reisen oder Abenteuer zu erleben. Jetzt, da die Nacht der Dämonen sich anschickte, das ganze Land zu verschlingen, begann Taisser Sildien sich lebendig zu fühlen.
Sein letzter Blick vor dem Einschlafen galt den leuchtenden Städten des Himmels. Auch sie funkelten im Süden viel heller als auf dem Festland. Edelsteine, verstreut in tiefer Tinte. Ein ewiges Diadem über Laes Haupt.
Er erwachte von selbst, als er ausgeschlafen war. Sein Rücken schmerzte von der Härte des Baumstammes, aber bereits beim Hinabklettern konnte er sich dehnen und strecken und wieder lebendig fühlen. Die Luft roch hier weniger nach Kloake als im Königsschloss oder auch der Hauptstadt allgemein. Vögel schwirrten über ihn hinweg und spielten unter dem wolkigen Himmel miteinander. Taisser verspeiste ein wenig von seinem Proviant, den er mitgenommen hatte, dann schaute er sich aufs Neue um. Die Insel war schön, schöner eigentlich als die begradigten Gärten des Schlosses. Aber in ihrer Schönheit bot sie auch unendlich viele Unübersichtlichkeiten. Vielleicht wohnte Minten Liago auf einem der Berge. Der Dämonentöter, thronend über seiner Insel wie eine Art heidnischer Gott.
Taisser machte sich an den Abstieg, durchquerte zwei fruchtbare Täler, in denen eher Herbst zu herrschen schien als Winter, und begann dann die Ersteigung des vordersten Massives.
Er gönnte sich ausreichend Rast. Während einer dieser Pausen – er war nun schon höher als auf der Anhöhe der letzten Nacht – nahm er sich die Zeit, seinen Blick nochmal ausführlich über die Insel schweifen zu lassen. Bis zum Meer reichte seine Sicht, bis zu der Bucht, wo er an Land gegangen war.
Die Miralbra war nicht mehr da.
Zuerst glaubte Taisser, sich in der Bucht getäuscht zuhaben, doch dann räumte er sämtliche Zweifel aus. Er konnte von hier oben aus den gesamten Weg, den er gestern und heute genommen hatte, nachvollziehen. Das war die richtige Bucht. Das Boot war weg.
Sofort überfielen ihn Zweifel. Waren die Dämonen schon hier? Für geflügelte Wesen war es doch sicher nur ein Katzensprung von Aztreb nach Kelm. Wie sorglos er hier an Land gegangen war! Wie ein unerfahrenes Jüngelchen hatte er das Grün der Insel mit einer Garantie auf Frieden verwechselt. Aber es hatte keinerlei Anzeichen für Dämonen gegeben und gab auch noch immer keine. Waren Dämonen so diskret? Hatten nicht alleine schon die beiden, die vor einundzwanzig Jahren hier getobt hatten, unmissverständliche Verwüstungen in dieses Eiland geprägt?
Ein anderer, nicht minder erschreckender Gedanke kam Taisser: Was, wenn Minten Liago das Boot gekapert hatte? Er war schon immer ein Krieger gewesen. War es ihm nicht zuzutrauen? Vielleicht wartete er schon seit Jahren darauf, dass endlich einmal wieder jemand an dieser abseits aller Handelsrouten liegenden Insel anlegte. Er hatte alles beobachtet, Taisser an Land schwimmen lassen, ohne ihn zu erkennen, war dann selbst zum Boot gekrault, hatte Blannitt und Eker überrumpelt und womöglich erschlagen – und war mit dem Boot bereits unterwegs Richtung Festland, nichts ahnend von dem dort tobenden Krieg und somit auch seinen eigenen Untergang herbeiführend. Taisser würde dann als Gestrandeter hier festsitzen, sinnlos aus allem Geschehen geschleudert durch seine eigene Unachtsamkeit.
»Minten!«, rief er noch einmal aus Leibeskräften. »Minten Liagoooooo!«
Die Inselberge höhnten Echos herüber.
Taisser beeilte sich, wieder nach unten zu kommen. Er musste Gewissheit haben. Falls Minten wirklich übergeschnappt und gefährlich war, trieben Eker und Blannitt vielleicht noch als Leichen im Wasser der Bucht. Oder aber sie waren noch am Leben, hatten aber fliehen müssen, weil Minten sie vom Strand aus beschossen hatte. Auch Mintens Fähigkeiten beim Armbrustschießen waren herausragend gewesen.
Taisser stolperte und rannte. Das Abschüssige des Berges beschleunigte ihn zusätzlich. Er klatschte in
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