Die Daemonen 03 - Am Ende der Zeiten
dem Gedanken, was sie mit ihr machen würden, falls sie ihnen in die immer stummen Klauen fiele.
Tibe hatte von allen an Bord die schwerste Last zu tragen. Jeder konnte steuern und Segelkommandos geben. Jeder konnte Segel setzen. Im Grunde genommen konnte auch jeder so etwas wie ein Kapitän sein. Aber nur Zemu und sie waren in ihren Funktionen nicht austauschbar. Und Zemu hatte den Vorteil, nicht die ganze Zeit über zu tun zu haben. Er konnte sich hinlegen und ausruhen. Die vordere Steuerfrau jedoch trug die Verantwortung für das Leben aller. Denn wenn ein Schiff in der Wüste auf Fels lief oder sich in einem Loch festfuhr, war das Leben der Besatzung kein Korallenstück mehr wert. Vor allem, wenn es, wie jetzt, nur noch ein einziges Beiboot gab, noch dazu ein kleines, auf dem eigentlich nur ein einziger Mensch Platz fand. Und vor allem, wenn ein Rudel Psells dem Schiff folgte und nur darauf lauerte, über alles herzufallen, was sich nicht mehr schnell genug fortbewegte.
Tibe musste die ganze Nacht und den ganzen nächsten Tag hindurch Ausschau halten und Gefahrstellen sichten und ausrufen. Der Weg zur Stadt wäre innerhalb eines Tages gut bewältigbar gewesen, aber der Kapitän bestand ja darauf, die Fahrtgeschwindigkeit zu drosseln, um eine Herde ungebundener Dämonen in die Stadt zu führen.
Mit Wehmut dachte Tibe an ihre früheren Kapitäne. Okkran war ein Draufgänger gewesen, ein ganzer Kerl. Kein Großer war ihm zu groß gewesen, keine Sandsturmfahrt zu gewagt, kein Dünenfeld zu beschwerlich, keine Flaute zu entmutigend, und auch über die zerklüfteten Schluchten der Zerbrochenen Berge hatte er nur gelacht. Beinahe folgerichtig war er dann aber mitsamt seinem Schiff in einer dieser Schluchten zerschellt, nachdem Tibe zu einem anderen Kapitän versetzt worden war, um diesen auf Geheiß des Fürsten zu unterstützen. Noch heute tröstete sich Tibe manchmal mit dem Gedanken, dass Okkran absichtlich und traurig lachend in das Nichts gefahren war, weil er über den Verlust seiner besten Steuerfrau nicht hinwegkam.
Ihr zweiter Kapitän Xelerest war das genaue Gegenteil Okkrans gewesen. Umsichtig, vorsichtig, beinahe weise in all seinem Tun. Er hatte mehr Beute gemacht als andere Kapitäne, weil er listiger vorging, geduldiger, planvoller. Er schien in der Lage zu sein auszurechnen, wo Dämonen sich aufhielten. Aber auch ihn ereilte ein zeitiges Schicksal. Er erdrosselte sich selbst, wahrscheinlich beim ausgiebigen, außergewöhnlich komplizierten Liebesspiel mit dem Schiffsmädchen. Das arme junge Ding war nie in der Lage gewesen, klar darüber Auskunft zu geben, was eigentlich vorgefallen war.
Luyngel wiederum, Tibes dritter Kapitän, war ein Besessener. Er wollte Geschwindigkeitsrekorde brechen. Zur Verbotenen Mitte und wieder zurück in weniger als zwei Wochen. Die Zerbrochenen Berge umrunden, rascher als je einer vor ihm. Zum Dämonenschlund, von dort einen Stein der Schlundkapelle dem Fürsten zum Geschenk mitbringen und wieder im Dock sein, noch bevor der Fürst das Fehlen eines seiner Schiffe überhaupt gemeldet bekam. Zur Bescheidenen -Stadt Tjet, dort mit der Hand die Mauer berühren und wieder nach Hause innerhalb einer Woche.
Luyngel war immerhin noch am Leben. Aber der Fürst hatte ihn seines Kommandos enthoben. Zu viele Schiffe hatte Kapitän Luyngel bei seinen irrwitzigen Rekordfahrten, für die sich eigentlich außer ihm niemand interessierte, ernsthaft beschädigt. Zu viele Besatzungsmitglieder verschlissen. Zu viele Beiboote in zusätzliche Antriebsflossensegel umgebaut. Und seit ihm ein Bescheidener mit einem Armbrustpfeil die nach der Mauer von Tjet ausgestreckte Hand durchschossen hatte, litt Luyngel darüber hinaus an Fieberschüben, die ihn oft tagelang ans Bett fesselten. Ein Kranker konnte auf Dauer kein Kommando führen. Also hatte Fürst Glengo Dihn ihn in die Wüstenverwaltung versetzt.
Und nun Renech, Tibes vierter. Er war der Schwächste von allen. Er war kein Abenteurer wie Okkran, kein Denker und Lenker wie Xelerest, kein Rasender wie Luyngel. Er war einfach ganz durchschnittlich, mit mangelndem Durchsetzungsvermögen und einem Hang zur Schusseligkeit, aber immerhin ein brauchbarer Harpunier. Nicht mal mit dem Schiffsmädchen ließ er sich so richtig ein. Vielleicht machte er sich nichts aus Frauen. Am liebsten schien er unter Deck seine Harpune zu polieren. Und auch die war ja nun wohl verloren gegangen.
Tibe seufzte. Sie schaute hinaus und las die Anzeichen und
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