Die Daemonen 03 - Am Ende der Zeiten
und Strandkieseln verziert, stemmte sie sich gegen das allgegenwärtig Quaderhafte und lief nach oben hin in zwei ungleichmäßigen Turmmuschelspiralen aus, die wie die Stacheln eines Großen wirkten oder wie zwei umgestülpte Blasinstrumente oder auch ein wenig wie die beiden Hörner von Kapitän Renechs ehemaliger Kampfschutzmaske. Die Residenz war farbenfroh, wenngleich etwas verblasst, und vor ihr standen die einzigen Menschen Wache, die Adain bislang als in der Farbigkeit der Kleidung mit den Wüstensammlern ebenbürtig bezeichnet hätte.
Kapitän Renech winkte lässig mit seiner goldenen Plakette und wurde durchgelassen. Innen war alles noch verzierter, noch schmuckkästchenhafter. Lakaien in rüschenbordender Uniform lösten die äußeren Wachtposten elegant ab. Adain hörte zum ersten Mal in ihrem Leben so etwas wie nicht gesungene Musik. Eine rothaarige Lakaiin saß breitbeinig auf einem gepolsterten Schemel vor einem Kasten und entlockte ihm perlende Töne vermittels einer kompliziert aussehenden, vierfarbigen Tastatur.
Der Fürst und sein Berater ließen bitten, nachdem Kapitän Renech angemeldet worden war. Die vier Besucher glitten über fellige Teppiche und an Gemälden von Kresterfell’scher Opulenz vorüber. Die Wände und Türen innerhalb der Residenz rochen wie mit ätherischem Öl imprägniert. Als Beleuchtung in den ansonsten schummrigen Räumlichkeiten dienten mit unterschiedlich gefärbtem Blattglas verhängte Walratlampen.
Fürst Glengo Dihn war ein ausgesprochen kleiner Mann auf einem aus imposanten Haiknochen und -zähnen ziselierten Thron. Adain fragte sich unwillkürlich, wie ein so kleiner Mann sich bei Untergebenen Respekt verschaffen konnte. Wie er überhaupt zu vermeiden beabsichtigte, dass man hier hereinstürmte und ihn noch einen Kopf kleiner machte. Vielleicht war der düstere, ausgemergelte Mann hinter ihm des Rätsels Lösung. Dereiferer. Der schamanische Berater sah aus wie ein triefäugiger Greifvogel, Tränensäcke und hängende Wangen gaben seinem gesamten Gesicht etwas haltlos Abstürzendes. Fürst Glengo Dihn dagegen wirkte rosig und speckig, und sein sorgfältig geöltes Haar war allen Ernstes zu einem Netz verflochten.
»Kapitän Renech«, sagte der Fürst mit kindlich schneidender Stimme, »ich bin erstaunt über Eure Unverfrorenheit, Euch Euren Tadel für Eure Fahrlässigkeit ausgerechnet bei mir persönlich abholen zu wollen. Ich war der Meinung, Eure Lizentatin wäre in der Lage, alle diesbezüglichen Formalitäten auch ohne mein Zutun zu regeln.«
»Das ist nicht der Grund«, begann Renech dermaßen verschliffen, dass niemand ihn verstehen konnte, also begann er noch einmal von Neuem, geräuspert, lauter und deutlicher: »Das ist nicht der Grund, weshalb ich Euch persönlich sprechen wollte, Fürst. Ich wollte Euch vielmehr ein einzigartiges Angebot unterbreiten: den Schlüssel zum Königreich.«
Der Fürst zog die Augenbrauen in die Höhe. Dereiferer schnaubte. Schon längst war die Aufmerksamkeit des Beraters von Kapitän Renech zu Adain weitergeglitten. Adain erwiderte den stechenden Blick. Sie spürte, wie ihre Männlichkeit und Weiblichkeit sich unter der enganliegenden Kleidung gleichzeitig mit Leben füllten. Dereiferer verströmte eine Aura uralten Wissens und skrupelloser Machtausübung. Und tatsächlich glitt sein Blick an ihr herab zwischen ihre Schenkel, als stünde sie nackt vor ihm.
»Zu welchem Königreich?«, erkundigte sich der Fürst.
»Zu dem der Bescheidenen .«
»Ach, das. Das ist doch kein authentisches Königreich. Das sind doch nur ein paar Verwirrte.«
»Aber ihr Anführer nennt sich König. Und ich bringe Euch die Waffe, ihn niederzuwerfen.«
»Ach, schau mal einer an! Ihr bringt mir eine Waffe? Aber ich kann sie nirgends sehen.«
Dereiferer starrte immer noch auf Adains sich wölbendes Dreieck. »Ein Dämonenweib«, sagte er dann mit raspelnder Stimme. Er streckte eine knochige Hand in Adains Richtung aus. »Die dort! Ein Dämonenweib! Ihr gewährt dem Erzfeind Zugang zu unserem Haus, Kapitän?«
Renech schluckte. Dazu passend verstummte die vorher noch alles lieblich durchwirkende Instrumentenmusik. »Sie ist nicht der Erzfeind, Fürst, Berater. Sie … beherbergt die Waffe.«
Der Fürst verdrehte den Hals, sodass er einen Blick mit seinem halb hinter ihm stehenden Berater wechseln konnte. Dann ließ er sein Gesicht wieder nach vorne schnellen. »Was für eine Waffe denn? Spannt mich nicht so auf die Folter,
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