Die Daemonen 03 - Am Ende der Zeiten
diesmal zuerst als ein langgezogenes Heulen, dann als ein Maul, in dem Zähne wuchsen wie ein Knochenwald, dann schoss er in die Höhe wie eine rotierende Flammensäule oder ein feuerfarbenes Fruchtbarkeitssymbol, diesmal nicht aus dem Meer geboren, sondern aus dem Sand, seinem ureigenen Element. Er schien das Geheul einzuholen, aufzufangen und es zu verinnerlichen, um es in Gebrüll verwandelt wieder hervorzuspeien.
Der Anblick dieses größten aller Großen war so atemberaubend, dass nicht nur sämtliche Kohorten aus Aztrivavez wie angewurzelt stehen blieben, sondern auch die Kampfhandlungen vor der Stadt kurzzeitig innehielten.
Orogontorogon reckte die Arme, während Adain die seinen sinken ließ. Es sah beinahe aus, als sei Adain ein viel zu klein geratener Marionettenspieler und als könnte der Hund leichthin die Wolken berühren. Dann begann Orogontorogon zu wittern.
»Knöpf sie dir vor, die Stadt«, riet Adain ihm. »Ich bin mir fast sicher, du wirst Lohnendes in ihr finden.«
Doch der Hund witterte nicht Richtung Kirr, wo das Kämpfen jetzt wieder weiterging, weil die Beschnittenen mit vor Grauen zugeschnürten Kehlen zurückwichen und die Mannshohen in ihrer Mitte sich welche von den Rändern pflückten. Der Hund witterte Richtung Südosten.
»Nähert sich jemand? Was hast du? Ich kann niemanden spüren.«
In den Hund kam Unruhe. Seine Flanken zitterten. Er ließ die Wolken Wolken sein und schaute fragend zu Adain hinunter.
»Was hast du?«, fragte der Dämon noch einmal. »Was gibt es dort? Willst du laufen? Na, dann lauf!«
Das ließ der riesige Wüstendämon sich nicht zweimal sagen. Mit heraushängender Zunge und eifrigem Hundegesicht begann er zu rennen, nach Südosten, weg von der Schlacht. Alles bebte und zitterte um ihn herum, so schwer, so massiv waren seine geisterflackernden Schritte. Dünen sackten in sich zusammen, und ganz hinten, in der Stadt Kirr, ein ältliches Gebäude am Hafen, das mit den Jahren immer schiefer geworden war. Dann verschwand der rote Hund am Horizont, und es dauerte, bis die von ihm aufgewirbelte Sandasche sich wieder legte.
Adain drehte sich zu den Kohorten hin um und zog lächelnd Die Stimme und Das Schweigen .
»Bist du wahnsinnig geworden?«, herrschte Tornhir ihn an. »Das ist Verrat! Die Anordnungen des Fürsten und seines Beraters waren eindeutig!«
»Ja, das waren sie«, bestätigte Adain lächelnd. »Aber es sieht so aus, als müssten wir uns jetzt auf althergebrachtere Tugenden verlassen. Mann gegen Mann und Weib gegen Weib. Mann gegen Weib und Weib gegen Mann. So ist es doch am schönsten.«
»Verräter!«, schrie Tornhir, der sich aber sicherheitshalber in eine Kohorte zurückgezogen hatte. »Ergreift ihn! Er hat uns unsere beste Waffe … vorenthalten!«
»Egal!«, schrie jetzt Kapitän Renech und reckte sein Gabelschwert in die Höhe! »Adain hat recht! Wir schaffen das auch so! Wir sind Aztriiiiiivavez! Aztriiiiiivavez! Verteidigte Ehre! Am göttlichsten Platz!«
Und er stürmte los, ganz alleine, an Adain vorbei nach vorne. Singend folgte ihm Gilgel, die reißzahnig grinsend anmutende Kapitänsmaske nun auf dem Gesicht. Dann Bechte. Dann Koaron und Glai. Dann Prengvil mit seinen Bescheidenen vertilgern, die sich nun endgültig aus Daegrens Kohorte lösten. Dann zwei der anderen Kohorten. Dann Daegren mit ihrer Kohorte. Dann erst Adain, lächelnd. Dann die anderen Kohorten, als Letzte und Zögerlichste diejenige, in der Oberbefehlshaber Tornhir sich versteckt hatte.
Koaron spürte eine wilde Freude in sich aufsteigen, als sie endlich zu stürmen begannen. Nach all dem Zaudern und Verhalten, den Zweifeln der letzten Tage und Nächte, dann aber dem Entschluss, sich freiwillig für den Kampf zu melden, und der quälend langen Zeit seitdem, in der schon wieder die Zweifel an ihm genagt hatten. Zweifel mit den Stimmen und Gesichtern von Wennim und Frentes. Koaron sah sich selbst, zur schwerverwundeten Bewegungsunfähigkeit verdammt wie Wennim, oder gealtert, dem Rauschöl verfallen von verflossenen Heldentaten lallend wie Frentes. Aber er tat diesen beiden unrecht, das spürte er selbst. Frentes hatte Weisheit, und Wennim hatte einfach nur Pech gehabt.
Er hatte sein Schicksal selbst in der Hand. Genau wie seine Degenrute, die gezogen bei jedem Schritt mitwippte. Die Gegner waren in der Unterzahl, das war deutlich zu sehen. Es würde ein Kinderspiel werden mit all den Kohorten ringsum.
Nein, kein Kinderspiel.
Etwas unerfreulicher, durchaus. Eher
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