Die Daemonen 03 - Am Ende der Zeiten
beiden noch überlebenden Kirrer, der alteingesessenere von ihnen. Er kreischte schrill in Intervallen, die die Lücken der Glockenschläge füllten, und klang dabei wie ein brennender Hahn.
Einige der Frauen fingen an zu weinen und klammerten sich aneinander, als könnten sie in der Verschmelzung Geborgenheit finden.
Die Steuerfrau Zimde erhob sich auf schwankende Beine wie auf hoher See. Sie blickte zur Decke, von der Bewurf zu rieseln begann. Mit einigen knappen Kommandos ordnete sie an, den Bereich direkt unter dem Rieseln zu räumen. Dadurch wurde es im übrigen Gewölbe noch enger für alle. Einige wurden in die Notdurftecken gedrängt und protestierten schwach. Anderen war alles egal. Sie krauchten über die Brüste und Schultern und Köpfe ihrer Leidensgenossinnen nach oben, dem Lärm entgegen, der einzigen Abwechslung, die es seit Monaten gab. Sie umarmten den Lärm und stürzten mit leeren Händen zurück in den glitschigen Morast ihrer Gefährtinnen, die zu schwach waren, ihren Sturz zu mildern.
»Ist dies der Untergang oder ein neuer Anfang?«, bestürmten einige den maskierten Gilgel, der schon seit einiger Zeit hier unten den Ruf eines Propheten hatte.
»Ich kenne«, sagte er rätselhaft wie immer, ließ sich dann aber doch zu einer zwischen den hammerartigen Schlägen kaum zu verstehenden Erläuterung herab: »Ich kenne den Klang dieses Erzes, und er missbehagt mir.«
Koaron und Glai erhoben sich beide, nahmen sich gegenseitig in den Arm. Voy gesellte sich zu ihnen, Koaron zog auch sie an sich. Bakenala und Tibe und Jitenji fassten sich ebenfalls an – es gab in dieser mächtigen Zelle keine Geheimnisse mehr, kein Unbefugtes, kein sich abgrenzendes Selbst, abgesehen vielleicht von Gilgel, dem die Maske half, das Gesicht zu wahren.
Das Getöse des aufgeborstenen Straßenkörpers rief die Bürger Kirrs auf den Plan. Man brüllte durcheinander, deutete aufgebracht auf den Frevel der einzelnen Frau, schrie nach dem König, sandte nach den Beschnittenen . Die Beschnittenen kamen. Es war ein Trupp aus acht Mann. Sie sahen zerzaust aus, wahrscheinlich hatten sie bis eben geschlafen.
Die Frau, die mitten auf der Straße stand und mit einer Art schwarzglänzendem Brecheisen das Pflaster zerschlug, sah keinesfalls ungewöhnlich aus. Sie war eine Bescheidene , daran konnte kein Zweifel bestehen, ihr Haarschnitt, ihr Gewand, die Zurechtgemachtheit ihres Gesichts – alles an ihr war schlicht. Dennoch schien sie über außergewöhnliche Kräfte zu verfügen, denn unter ihren Schlägen barst der Stein wie Salzkristall.
Der Kommandant des kleinen Trupps – es war nicht Heln – versuchte es zuerst mit Reden. »Halte ein, meine Schwester! Was immer deinen Unmut so erregt haben mag, das Schiedsgericht unseres gerechten Königs mag eine Lösung dafür finden.«
Adain jedoch hörte kaum hin. Der Menschengestank aus der Tiefe berauschte sie. Sie fühlte sich, als würde sie einen Bodenschatz freilegen, der mit jedem Schlag heftiger und leidenschaftlicher zu ihr emporpulste, um sie zu umwerben.
Der Kommandant des kleinen Trupps näherte sich ihr, sein Perlmuttklingenschwert nun zwar glänzend in der Hand, die Arme aber noch immer wie zum Frieden ausgebreitet. »Du musst damit aufhören, meine Schwester! Du beschädigst unsere Stadt, den Boden, auf dem wir alle wandeln. Diese Stadt hat selbst die Weiß-Sagung überstanden. Hast du denn deine Dankbarkeit vergessen?«
All diese Begriffe – Schlüsselworte für jeden, der als Bescheidener erzogen worden war – sagten Adain nichts. Sie rackerte sich weiter abwärts.
Also versuchte der Kommandant ihr Einhalt zu gebieten, indem er sein Schwert in die Schlagrichtung ihres Werkzeugs hielt, das von Nahem wie eine zweiendige Sense aussah. Sein Schwert zerbrach und benetzte sie alle mit Splittern. Der Kommandant musste das als eine Tätlichkeit interpretieren, obwohl genau genommen er es gewesen war, der sich in Adains Bewegungen eingemischt hatte. Seine Männer versuchten einen Zugriff. Drei Sekunden später fehlten dem einen beide Hände, dem Zweiten der halbe Kopf, dem Dritten ein Unterarm und ein vorgestrecktes Bein und dem Vierten drei Fingerkuppen. Keiner von ihnen hatte die Bewegung von Die Stimme auch nur kommen sehen.
Blut sprühte über sie hin. Dann Schreie.
Die Beschnittenen , die noch nicht tot oder am Verbluten waren, griffen Adain an. Adain nahm nun auch Das Schweigen zur Hand und beendete den ungleichen Kampf mittels dreier kreisenden Bewegungen.
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