Die Dämonen ruhen nicht
besorgt?«
»Ist doch egal. Jedenfalls glauben sie nicht, dass es mit den anderen Frauen was zu tun hat«, erwidert Bev.
»Welches Wort hat sie benutzt?«
»Was meinst du damit - welches Wort?« Bev vermutet, dass er allmählich den Verstand verliert.
»Als sie um Gnade gefleht hat. Sie muss dich doch angefleht haben, aufzuhören. Mit welchem Wort hat sie das beschrieben?«
»Beschrieben?«
»Wie es sich anfühlt, eine Scheißangst vor Schmerzen und vor dem Tod zu haben! Welches Wort hat sie benutzt?«
»Ich weiß es nicht.« Bev versucht, sich zu erinnern. »Ich glaube, sie hat Warum? gesagt.«
117
Das Zimmer war kühl; keine Gerüche waren wahrzunehmen.
Nic hat diese Zeile schon mindestens fünf Mal gelesen. Vielleicht ist ihre Mutter nur wenige Minuten, bevor ihr Mann - Nics Vater - nach Hause kam, ermordet worden. Nic fragt sich, ob der Mörder wohl den Wagen ihres Vaters gehört hat und geflohen ist. Möglicherweise hat sich das Dreckschwein aber auch rein zufällig gerade noch rechtzeitig aus dem Staub gemacht.
Es ist zweiundzwanzig Uhr. Nic, Rudy, Scarpetta, Marino und Lucy sitzen in Dr. Laniers Gästehaus und trinken Community Coffee, das Lieblingsgetränk der Einheimischen.»Mehrfache Abschürfungen und Risswunden im Gesicht«, zitiert Scarpetta den Autopsiebericht von Nics Mutter.
Sie hat gleich zu Anfang klargestellt, dass sie nicht vorhat, Einzelheiten zu beschönigen, um Nics Gefühle zu schonen. Damit würde sie ihr nämlich keinen Gefallen tun.
»Abschürfungen und Risswunden an der Stirn, Blutergüsse rund ums Auge, Nasenbeinfraktur, gelockerte Schneidezähne.«
»Also hat er sie ziemlich kräftig ins Gesicht geschlagen«, stellt Marino fest und trinkt einen Schluck Kaffee, der genau so ist, wie er ihn mag, strotzend von Kaffeeweißer und mit jeder Menge Zucker. »Besteht die Möglichkeit, dass sie den Täter kannte?«, erkundigt er sich bei Nic.
»Offenbar hat sie ihm die Tür aufgemacht. Sie wurde in der Nähe der Haustür gefunden.«
»Hat sie darauf geachtet, die Türen stets verschlossen zu halten?« Lucy sieht Nic eindringlich an und mischt sich in das Gespräch ein.
Nic erwidert ihren Blick. »Ja und nein. Nachts haben wir natürlich immer alles abgeschlossen. Aber sie wusste ja, dass Papa und ich bald nach Hause kommen würden, und hat es deshalb vielleicht nicht getan.«
»Das bedeutet nicht, dass der Täter nicht geklingelt oder geklopft haben kann«, wirft Rudy ein. »Und auch nicht, dass Ihre Mutter vor dem Täter Angst gehabt haben muss.«
»Nein, das heißt es nicht«, sagt Nic.
»Trauma durch stumpfe Gewalteinwirkung am Hinterkopf. Sternförmige neun mal zwölf Zentimeter große Verletzung an Scheitel und Hinterkopf. Fünfzig Milliliter Blut unter der Kopfhaut...«
Marino und Lucy lassen die Tatortfotos hin und her gehen. Bis jetzt hat Nic sie sich nicht angeschaut.
»Blut an der Wand, gleich links neben der Tür«, stellt Marino fest. »Wischspuren von Haaren. Wie lang trug Ihre Mutter das Haar?«
Nic schluckt. »Schulterlang. Sie war blond, ähnlich wie ich.«
»Etwas ist geschehen, sobald er das Haus betreten hatte. Ein Überraschungsangriff Ihrer Mutter«, meint Lucy. »Etwa so, wie es bei Rebecca Milton gewesen sein muss, wenn das Opfer den Täter so richtig in Rage bringt.«
»Würden derartige Verletzungen darauf hinweisen, dass sie mit dem Kopf gegen die Wand gestoßen wurde?«, fragt Rudy.
Nic bleibt ruhig und versucht sich ständig daran zu erinnern, dass sie Polizistin ist.
Scarpetta fängt ihren Blick auf. »Ich weiß, wie schwer es für Sie ist, Nic. Wir wollen nur offen sein. Vielleicht beantwortet das einige Ihrer Fragen.«
»Ich werde immer Fragen haben, da wir nie erfahren werden, wer der Täter ist.«
»Sag niemals nie«, entgegnet Marino.
»Richtig.« Lucy nickt.
»Gesplitterte, nicht eingedrückte Fraktur von Scheitelbein und Hinterhauptbein, bilaterale subdurale Hämatome, dreißig Milliliter frei fließendes Blut an jeder ... okay, okay ...« Scarpetta blättert um. Der Text ist kein Computerausdruck, sondern mit der Maschine getippt. »Sie hatte Stichwunden«, fügt sie hinzu.
Nic schließt die Augen. »Hoffentlich hat sie nichts gespürt.«
Niemand sagt etwas.
»Ich meine« - sie sieht Scarpetta an -, »hat sie davon noch etwas mitbekommen?«
»Sie hatte Todesangst. Aber körperlich? Schwer festzustellen, ob sie Schmerzen hatte. Wenn einem die Verletzungen so schnell zugefügt werden ...«
Marino fällt ihr ins Wort. »Wissen
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