Die Dämonen ruhen nicht
genauso die Scheißrübe wegpusten wie jedem anderen Dreckskerl.«
»Genetisch ist er dein Sohn, ob es dir nun gefällt oder nicht«, entgegnet Benton im sachlichen Ton.
»Ich habe sogar seinen Geburtstag vergessen.« Marino tut sein einziges Kind mit einer wegwerfenden Handbewegung ab und nimmt einen letzten Schluck Budweiser.
Rocco Marino, der seinen Familiennamen geändert hat und jetzt Caggiano heißt, ist seit seiner Geburt ein schlechter Mensch. Er war Marinos schändliches, schmutziges Geheimnis, ein Abszess, den er sorgfältig geheim hielt, bis Jean-Bap- tiste Chandonne auf der Bildfläche erschien. Die meiste Zeit seines Lebens war Marino überzeugt davon, dass Rocco seine falschen Entscheidungen mit einem Ziel getroffen hat - um seinen verhassten Vater so hart wie möglich zu bestrafen. Seltsamerweise empfand Marino das beinahe als tröstend. Ein persönlicher Rachefeldzug ist immer noch besser als die demütigende und traurige Wahrheit, dass sich sein Sohn nicht für ihn interessiert. Roccos Entscheidungen haben jedoch nichts mit Marino zu tun. Wenn überhaupt, lacht er über seinen Vater. Er hält ihn für einen Witzfigurenpolizisten und einen Verlierer, der sich anzieht wie ein Schwein, lebt wie ein Schwein und ein Schwein ist.
Dass Rocco in Marinos Leben wieder eine Rolle spielt, war reiner Zufall - ein »scheißkomischer Zufall« in Roccos Worten. Nach der Anklageerhebung gegen Jean-Baptiste Chandonne blieb er lange genug vor der Tür des Gerichtssaals stehen, um ein paar Worte mit seinem Vater zu wechseln. Seit
Rocco alt genug ist, um sich zu rasieren, mischt er im organisierten Verbrechen mit. Er war schon Laufbursche und Rechtsverdreher für die Chandonnes, als Marino noch gar nichts von ihrer Existenz ahnte.
»Wissen wir, wo Rocco sich derzeit aufhält?«, fragt Benton.
Marinos Augen werden so dunkel und stumpf wie alte Pennys. »Vielleicht - oder sehr wahrscheinlich - kriegen wir es bald raus.«
»Und das heißt?«
Marino lehnt sich auf dem Sofa zurück, als habe er Spaß an dem Gespräch und genieße seine eigene Wichtigkeit. »Das heißt, dass ihm diesmal eine Schnur mit Blechdosen am Arsch hängt, von der er aber noch nichts ahnt.«
»Und das heißt?«, wiederholt Benton.
»Interpol hat ihn zur Fahndung ausgeschrieben, ohne dass er davon weiß. Das hat Lucy mir erzählt. Ich bin sicher, dass wir ihn und noch ein paar andere Arschlöcher kriegen werden.«
»Wir?«
Wieder zuckt Marino die Achseln, will noch einen Schluck trinken, doch die Flasche ist leer. Er rülpst und überlegt, ob er aufstehen und Nachschub holen soll.
»Wir ist nur als Redensart gemeint«, erklärt er. »Wir, das sind die Guten. Wir werden Rocco schnappen, denn sobald er durch einen Flughafen latscht, wird auf irgendeinem Computerbildschirm eine rote Meldung aufleuchten. Und dann hat er, schwuppdiwupp, ein hübsches Paar blitzender Handschellen um und vielleicht sogar eine AR-Fünfzehn am Kopf.«
»Und was wirft man ihm vor? Bis jetzt ist er mit seinen schmutzigen Geschäften immer davongekommen. Das gehört doch zu seinem Charme.«
»Ich weiß nur, dass in Italien Haftbefehle gegen ihn vorliegen.«
»Sagt wer?«»Lucy. Ich würde alles dafür geben, derjenige zu sein, der die AR-Fünfzehn auf seinen Kopf richtet. Allerdings würde ich ganz sicher abdrücken«, verkündet Marino und glaubt, dass er es wirklich so meint, auch wenn er es sich nicht vorstellen kann. Das Bild steht ihm einfach nicht konkret genug vor Augen.
»Er ist dein Sohn«, erinnert ihn Benton. »Ich schlage vor, dass du dir Gedanken darüber machst, wie du dich fühlen wirst, wenn du irgendetwas damit zu tun hast, was aus ihm wird - ganz egal, was. Außerdem fällt die Jagd nach ihm oder anderen Mitarbeitern von Chandonne, soweit ich informiert bin, gar nicht in deinen Zuständigkeitsbereich. Oder ermittelst du jetzt verdeckt fürs FBI?«
Eine Pause entsteht. Marino verabscheut das FBI. »Ich würde gar nichts fühlen.« Obwohl er versucht, sich nichts anmerken zu lassen, vibrieren seine Nerven vor Wut und Angst. »Außerdem habe ich keinen Schimmer, wo er steckt. Irgendjemand wird ihn schnappen, und dann wird er nach Italien ausgeliefert, wenn er überhaupt so lange lebt. Bestimmt wird Chandonne ihn zum Schweigen bringen, bevor er Gelegenheit hat, etwas auszuplaudern.«
»Wer sonst noch?«, hakt Benton nach. »Wer steht sonst noch auf der Liste?«
»Ein paar Reporter. Nie von ihnen gehört. Möglicherweise gibt es sie gar nicht. Ach
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