Die Dämonen ruhen nicht
vertreten hätte, wenn der Fall in New York verhandelt worden wäre, wegen der Nachrichtensprecherin, die er dort abgemurkst hat. Berger ist ein harter Brocken, und außerdem kennt sie Doc Scarpetta. Die beiden sind befreundet.«
Benton weiß das und zeigt keine Reaktion. Er macht sich Notizen.
»Und zu guter Letzt wäre da noch ein Typ namens Robert Lee.«
»Der Name klingt echt. Fängt sein zweiter Vorname zufällig mit einem E an wie bei dem Südstaatengeneral?«, spottet Benton. »Hat es zwischen Jean-Baptiste und diesem Robert Lee einen Schriftwechsel gegeben - den unwahrscheinlichen Zufall vorausgesetzt, dass unser Mr. Lee nicht vor über hundert Jahren das Zeitliche gesegnet hat?«
»Ich kann dir nicht mehr sagen, als dass er auf der Besucherliste steht. Über datengeschützte Post ist von der Gefängnisleitung nichts zu erfahren, und deshalb habe ich keine Ahnung, an wen Wolfmann schreibt und von wem er Liebesbriefe kriegt.«
18
Marino entfaltet den Brief von Jean-Baptiste, streicht ihn glatt und fängt an zu lesen: »Bonjour, mon cher ami Pete ...« Er bricht ab und hebt stirnrunzelnd den Kopf. »Nicht zu fassen, dass er mich Pete nennt. Das macht mich echt wütend.«
»Wütender als die Anrede mon cher ami?«, entgegnet Benton trocken.
»Ich kann es nun mal nicht leiden, wenn Dreckschweine meinen Vornamen benutzen. Das ist so eine Marotte von mir.«
»Bitte, lies weiter«, fordert ihn Benton etwas ungeduldig auf. »Ich hoffe, dass nicht noch mehr auf Französisch drinsteht, damit du es nicht verunstalten kannst. Wann ist dieser Brief datiert?«
»Vor nicht einmal einer Woche. Ich habe mich, so schnell es ging, auf den Weg hierher gemacht, um dich zu sehen... Scheiße, ich werde dich jetzt einfach wieder Benton nennen.« »Nein, wirst du nicht. Bitte, lies weiter.«
Marino zündet sich eine neue Zigarette an, inhaliert den Rauch tief und fährt fort:
»Nur ein kurzes Schreiben, um Ihnen mitzuteilen, dass ich mir die Haare wachsen lasse. Warum? Natürlich ist der Grund, dass ich erfahren habe, wann ich sterben soll. Es wird am 17. Mai um zweiundzwanzig Uhr passieren. Keine Minute später, weshalb ich hoffe, dass Sie als mein Ehrengast dabei sein werden. Doch vorher, mon ami, muss ich noch etwas erledigen und mache Ihnen deshalb ein Angebot, das Sie einfach nicht ausschlagen können (wie es im Film so schön heißt).
Ohne mich, Jean-Baptiste, werden Sie die anderen Chandonnes nie schnappen. Es wäre so, als wollten Sie tau-send Fische ohne ein sehr großes Netz fangen. Ich bin dieses Netz. Es gibt zwei Bedingungen. Sie sind ganz einfach.
Ich werde nichts gestehen, ausgenommen in Gegenwart von Madame Scarpetta, die mich um die Erlaubnis gebeten hat, sie zu empfangen, um ihr zu sagen, was ich weiß.
Sonst darf niemand dabei sein.
Ich habe außerdem eine weitere Bedingung, von der sie noch nichts ahnt. Sie muss die Ärztin sein, die mir den tödlichen Cocktail<, wie man ihn nennt, verabreicht. Ich habe vollstes Vertrauen, dass sie ihr Versprechen nicht brechen wird, wenn sie sich erst einmal einverstanden erklärt hat. Sehen Sie, wie gut ich sie kenne?
A bientot,
Jean-Baptiste Chandonne«
»Und der Brief an sie?«, platzt Benton, der sich scheut, Scarpettas Namen auszusprechen, heraus.
»Dasselbe. Mehr oder weniger.« Marino will ihn ihm nicht vorlesen.
»Du hast ihn hier. Lies vor.«
Marino schnippt Zigarettenasche ins Wasserglas und pustet mit zusammengekniffenen Augen Rauch aus. »Ich fasse für dich das Wichtigste zusammen.«
»Du brauchst mich nicht zu schonen, Pete«, sagt Benton leise. »Klar. Wenn du es unbedingt hören willst, lese ich den Brief eben vor. Aber ich finde nicht, dass es notwendig ist, und vielleicht solltest du ...«
»Bitte, lies.« Inzwischen klingt Benton müde. Sein Blick ist nicht mehr so eindringlich, und er lehnt sich in seinem Stuhl zurück. Marino räuspert sich und entfaltet ein anderes glattes, weißes Papier. Dann fängt er an:
»Mon cherie amour, Kay ...«Er wirft einen Blick auf Bentons ausdrucksloses Gesicht. Es ist erbleicht, und seine Haut wirkt trotz der Sonnenbräune fahl.
»Es bricht mir das Herz, dass Sie noch keinen Termin vereinbart haben, um mich zu besuchen. Ich verstehe das nicht.
Natürlich empfinden Sie genauso wie ich. Ich bin Ihr Dieb in der Nacht, der wunderbare Liebhaber, der gekommen ist, um Sie zu entführen. Doch Sie haben sich geweigert, mich zurückgewiesen und verletzt. Wie leer Sie sich inzwischenfühlen müssen, wie
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