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Die Dämonen ruhen nicht

Die Dämonen ruhen nicht

Titel: Die Dämonen ruhen nicht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Patricia Cornwell
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das Plexiglas, während sie genau das tat, worum ihre Tante sie gebeten hatte - dabei war auch Lucy von Anfang an eingeweiht.
    Scarpetta vertraut Lucy und Marino mehr als jedem anderen Menschen in ihrem Leben. Dass sie mitgeholfen haben, den vorgetäuschten Mord an Benton und sein Verschwinden zu planen, hat ihnen beiden das Gehirn verseucht und ist eine Krankheit geworden, gegen die sie täglich ankämpfen, während Benton sein Leben als ein Niemand namens Tom fristen muss.
    »Ich glaube, du warst schon lange nicht mehr fischen«, beantwortet Benton seine Frage in beiläufigem Ton selbst.
    »Die beißen sowieso nicht.« Was allerdings nicht für Marinos Wut gilt. Sein Hass fletscht die Zähne.
    »Verstehe. Kein einziger kleiner Fisch. Und Bowling? Wenn ich mich recht entsinne, warst du Zweitbester in deiner Liga. Die Firing Pins. So hieß doch deine Mannschaft.«
    »Ja, in einem anderen Jahrhundert. Ich bin kaum noch in
    Virginia. Nur wenn man mich runter nach Richmond zum Gericht zitiert. Ich arbeite nicht mehr bei der dortigen Polizei, sondern bin gerade dabei, nach Florida zu ziehen und bei der Polizei von Hollywood, südlich von Fort Lauderdale, anzuheuern.«
    »Wenn du in Florida bist«, erwidert Benton, »und von dort aus nach Richmond fährst, heißt es rauf nach Richmond, nicht runter. Du hattest schon immer ein merkwürdiges Richtungsempfinden, Pete.«
    Marino ist bei einer Lüge ertappt worden, und er weiß es. Ständig spielt er mit dem Gedanken, aus Richmond wegzuziehen, und es ist ihm peinlich, dass ihm dazu einfach der Mut fehlt. Er kennt nichts anderes als diese Stadt und die alten, immer noch tobenden Kämpfe, obwohl sie ihm nichts mehr zu bieten hat.
    »Ich bin nicht hier, um dir mit langen Geschichten auf die Nerven zu fallen«, sagt Marino.
    Bentons dunkle Sonnenbrille wendet sich ihm zu, und die beiden setzen ihren Weg in gemächlichem Tempo fort.
    »Tja, ich merke, dass du mich vermisst hast«, stellt Benton, einen Eissplitter in der Stimme, fest.
    »Das ist verdammt ungerecht«, zischt Marino und ballt seine Hände zu Fäusten. »Und ich halte es nicht mehr aus, Kumpel. Lucy erträgt es auch nicht mehr, Kumpel. Ich wünschte, du könntest mal Mäuschen spielen, damit du kapierst, was du ihr angetan hast. Unserem Doc. Scarpetta. Oder hast du sie etwa auch vergessen?«
    »Bist du hergekommen, um deine Wut abzuladen?«
    »Da ich gerade mal in der Gegend war, dachte ich, ich könnte dir, wenn du mir schon mal zuhörst, klar machen, dass Sterben meiner Ansicht nach auch nicht schlimmer ist, als so zu leben wie du.«
    »Sei still«, fällt ihm Benton ins Wort, der kaum noch an sich halten kann. »Wir reden drinnen weiter.«

17
    Benton Wesley ist es geglückt, in einem Teil von Beacon Hill, der von stolzen alten Backsteinvillen und anmutigen Bäumen geprägt wird, eine Unterkunft zu finden, die seine momentanen eigenartigen Bedürfnisse erfüllt.
    Die Fassade des Mietshauses, in dem er wohnt, ist in einem hässlichen Beige gestrichen. Plastikliegestühle zieren die Balkone, und ein verrosteter Zaun aus Schmiedeeisen umschließt einen von Unkraut überwucherten und deprimierend dunklen Vorgarten. Er und Marino steigen ein dämmriges Treppenhaus hinauf, in dem es nach Urin und abgestandenem Zigarettenrauch riecht.
    »Scheiße!« Marino schnappt nach Luft. »Konntest du dir nicht wenigstens eine Bude mit Aufzug suchen? Das, was ich vorhin gesagt habe, habe ich nicht so gemeint. Niemand wünscht dir den Tod.«
    Im vierten Stock schließt Benton die verkratzte graue Metalltür von Wohnung 46 auf.
    »Die meisten Leute glauben, ich bin schon tot.«
    »Mist, warum muss ich mich immer falsch ausdrücken!« Marino wischt sich den Schweiß vom Gesicht.
    »Ich habe Dos-Equis-Bier und Limetten da.« Bentons Stimme erinnert an das Zuschnappen des Türriegels. »Und natürlich frisch gepressten Saft.«
    »Kein Budweiser?«
    »Bitte fühl dich wie zu Hause.«
    »Du hast doch Budweiser, oder?« Marinos Tonfall ist gekränkt: Benton hat offenbar seine Gewohnheiten vergessen.
    »Da ich wusste, dass du kommst, habe ich natürlich Budweiser da«, ruft Benton aus der Küche. »Einen ganzen Kühlschrank voll.«
    Marino blickt sich nach einer Sitzgelegenheit um und ent-scheidet sich für eine geblümte Couch, keine sonderlich hübsche. Die Wohnung ist möbliert, und alles hat die schäbige Patina vieler fadenscheiniger und gleichgültiger Leben, die für eine Weile hier Station gemacht haben. Wahrscheinlich hat Benton, seit

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