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Die Dämonen

Titel: Die Dämonen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Fëdor Michajlovic Dostoevskij
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Polen da. Aber nach ihrem Charakter zu schließen ...«
    »Noch ein Wort, und ich gebe dir ein paar Ohrfeigen!«
    »So sind die Menschen!« wandte Peter Stepanowitsch sich auf einmal zu mir. »Sehen Sie, das schreibt sich bei uns noch vom vorigen Donnerstag her. Ich freue mich, daß Sie wenigstens heute hier sind und sich ein Urteil darüber bilden können. Zuerst eine Tatsache: er macht es mir zum Vorwurf, daß ich so über meine Mutter spreche; aber hat er mich nicht selbst darauf hingestoßen? Hat er mich nicht in Petersburg, als ich noch Gymnasiast war, oft zweimal in der Nacht aufgeweckt, mich umarmt und wie ein altes Weib geweint, und was meinen Sie, was er mir da in der Nacht erzählt hat? Eben diese unsauberen Geschichtchen von meiner Mutter! Er ist der erste gewesen, von dem ich sie gehört habe.«
    »Oh, ich verfolgte damals damit eine höhere Absicht! Oh, du hast mich nicht verstanden. Nichts, nichts hast du verstanden!«
    »Aber doch kommt es bei dir gemeiner heraus als bei mir; das mußt du selbst zugeben. Siehst du, mir kann es ja ganz egal sein. Ich redete von deinem Gesichtspunkte aus. Von meinem Gesichtspunkte aus mache ich meiner Mutter keine Vorwürfe, da kannst du unbesorgt sein; ob du mein Vater bist oder der Pole, ist mir ganz egal. Ich kann nichts dafür, daß es bei euch in Berlin so dumm herging. Und es hätte freilich bei euch etwas verständiger hergehen können. Na, muß man unter diesen Umständen nicht sagen, daß ihr lächerliche Menschen seid? Und ist es dir nicht ganz gleichgültig, ob ich dein Sohn bin oder nicht? Hören Sie,« wandte er sich wieder zu mir, »sein ganzes Leben lang hat er auch nicht einen Rubel für mich ausgegeben; bis zu meinem sechzehnten Lebensjahre hat er mich überhaupt nicht gekannt; dann hat er mich hier ausgeplündert; und jetzt schreit er, das Herz habe ihm sein ganzes Leben lang um mich weh getan, und gebärdet sich vor mir wie ein Schauspieler. Aber ich bin ja doch nicht Warwara Petrowna; ich bitte dich!«
    Er stand auf und griff nach seinem Hute.
    »Ich verfluche dich!« rief Stepan Trofimowitsch, blaß wie der Tod, und streckte den Arm gegen ihn aus.
    »Auf was für Dummheiten der Mensch doch verfällt!« bemerkte Peter Stepanowitsch sehr erstaunt. »Na, leb wohl, Alter; ich werde nun nie mehr wieder zu dir kommen. Das Manuskript zu der Vorlesung schick mir nur recht bald vorher; vergiß es nicht; und wenn du kannst, so gib dir Mühe, daß kein Unsinn darin steht: Tatsachen, Tatsachen, nichts als Tatsachen, und, was die Hauptsache ist, kurz. Adieu!«
     
Fußnoten
     
    1 Von dem Nihilisten Tschernyschewski, erschienen im Jahre 1863.
    Anmerkung des Übersetzers.
     
     
III.
    Übrigens spielten hier auch noch andere Gründe mit. Peter Stepanowitsch hatte allerdings gegen seinen Vater einen bestimmten Anschlag im Kopfe. Meiner Ansicht nach beabsichtigte er, den alten Mann zur Verzweiflung zu bringen und ihn dadurch in einer gewissen Art zu einem offenen Skandal zu treiben. Daran war ihm um weiterer, andersartiger Ziele willen gelegen, von denen später die Rede sein wird. Ähnliche Pläne und Absichten mannigfacher Art hatten sich damals in großer Menge in seinem Kopfe angesammelt, allerdings hatten sie fast alle etwas Phantastisches. Außer Stepan Trofimowitsch hatte er noch einen anderen zum Märtyrer bestimmt. Überhaupt machte er nicht wenige Menschen zu Märtyrern, wie sich das in der Folge herausstellte; aber diesen hatte er besonders ins Auge gefaßt, und das war Herr v. Lembke selbst.
    Andrei Antonowitsch v. Lembke gehörte zu jenem von der Natur begünstigten Volksstamme, von dem man in Rußland laut den Angaben des Kalenders einige Hunderttausende zählt, und der, vielleicht ohne es selbst zu wissen, bei uns in seiner ganzen Masse einen streng organisierten Bund bildet. Dieser Bund ist natürlich nicht planmäßig ausgedacht und ersonnen; aber er besteht in dem ganzen Volksstamm von selbst ohne Worte und Verabredungen als eine Art von moralischer Verpflichtung zu gegenseitiger Unterstützung aller Mitglieder dieses Volksstammes, immer und überall und unter allen Umständen. Andrei Antonowitsch hatte die Ehre gehabt, in einem jener vornehmen russischen Lehrinstitute erzogen zu werden, die von den Söhnen der reichsten und mit den besten Verbindungen ausgestatteten Familien besucht werden. Die Zöglinge dieser Anstalt wurden fast unmittelbar nach Absolvierung des Kursus dazu bestimmt, ziemlich bedeutende Ämter in einem Ressort des

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