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Die Dämonen

Titel: Die Dämonen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Fëdor Michajlovic Dostoevskij
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einfach. Sehen Sie sich nur einmal diese Leute an! Sie sind zu milde, Andrei Antonowitsch; Sie schreiben Romane. Aber hier müßte nach alter Sitte verfahren werden.«
    »Was soll das heißen: ›nach alter Sitte‹? Was sind das für Ratschläge? Die Fabrik ist gereinigt; ich habe es befohlen, und sie ist gereinigt worden.«
    »Aber unter den Arbeitern ist eine Rebellion ausgebrochen. Man müßte sie durch die Bank auspeitschen; dann wäre die Sache erledigt.«
    »Eine Rebellion? Das ist Unsinn; ich habe es befohlen, und die Fabrik ist gereinigt worden.«
    »Ach, Andrei Antonowitsch, Sie sind zu milde!«
    »Erstens bin ich überhaupt nicht so milde, und zweitens ...« Herr v. Lembke fühlte sich wieder verletzt. Es kostete ihn große Überwindung, dieses Gespräch mit dem jungen Menschen zu führen; aber er tat es aus Neugier, um zu sehen, ob dieser ihm nicht vielleicht etwas Neues sagen werde.
    »Ah, ah, wieder eine alte Bekannte!« unterbrach ihn Peter Stepanowitsch und wies auf ein anderes Blatt, das unter einem Briefbeschwerer lag, ebenfalls wie eine Proklamation aussah und augenscheinlich im Auslande gedruckt war, aber in Versen. »Na, diese kann ich auswendig: ›Eine glänzende Persönlichkeit!‹ Wollen mal sehen; na ja, es stimmt: ›Eine glänzende Persönlichkeit,‹ ganz richtig. Ich habe dieses Blatt schon kennen gelernt, als ich noch im Auslande war. Wo haben Sie es denn aufgegabelt?«
    »Sie sagen, Sie haben es im Auslande gesehen?« fragte v. Lembke auffahrend.
    »Gewiß! Vor vier Monaten; es können auch fünf sein.«
    »Was Sie aber doch alles im Auslande gesehen haben!« bemerkte v. Lembke fein und blickte sein Gegenüber an.
    Ohne auf ihn zu hören schlug Peter Stepanowitsch das Blatt auseinander und las laut das folgende Gedicht:
     
»Eine glänzende Persönlichkeit.
    Stammend aus der niedern Masse,
    Nicht aus stolzer Adelsklasse,
    Hart verfolgt vom Zorn des Zaren
    Und vom Hasse der Bojaren,
    Litt er willig; doch sein Mund
    Tat dem armen Volke kund:
    Alle müssen wir auf Erden
    Frei und gleich und Brüder werden.
     
    Zu entzünden klug den Brand,
    Ging er in ein fremdes Land;
    Fern vom Henker und der Knute
    Wirkte still der Edle, Gute.
    Und das Volk, im Joche stöhnend,
    Harrte schon, den Kampf ersehnend,
    Von Smolensk bis nach Taschkent:
    ›Gib das Zeichen uns, Student!‹
     
    Und dann wollten alle eilen,
    Um mit Äxten und mit Beilen
    Zu zerschlagen der Bojaren
    Herrschaft und des bösen Zaren,
    Äcker, Vieh und alle Sachen
    Zum Gemeinbesitz zu machen,
    Kirch' und Ehe aufzuheben
    Und in Freud und Glück zu leben.«
     
    »Gewiß ist das bei jenem Offizier gefunden worden, ja?« fragte Stepan Trofimowitsch.
    »Sie kennen auch jenen Offizier?«
    »Gewiß doch! Ich habe da mit ihm zwei Tage lang gekneipt. Es war vorauszusehen, daß er einmal verrückt werden würde.«
    »Vielleicht ist er gar nicht verrückt geworden.«
    »Sie glauben, daß er einen gebissen hat, zeugt von Verstand?«
    »Aber erlauben Sie: wenn Sie diese Verse im Auslande gesehen haben und sich dann bei diesem Offizier herausstellt ...«
    »Was meinen Sie? Sehr scharfsinnig! Sie wollen mich, wie ich sehe, examinieren, Andrei Antonowitsch? Sehen Sie mal,« begann er auf einmal mit ungewöhnlichem Ernste, »über das, was ich im Auslande gesehen habe, habe ich nach meiner Rückkehr schon an geeigneter Stelle Auskunft gegeben, und die von mir gegebene Auskunft ist für befriedigend erachtet worden; sonst würde ich die hiesige Stadt nicht mit meiner Gegenwart beglücken. Ich bin der Ansicht, daß meine Angelegenheiten auf diesem Gebiete erledigt sind und ich niemandem mehr zur Rechenschaft verpflichtet bin. Und erledigt sind sie nicht etwa, weil ich ein Denunziant wäre, sondern weil ich nicht anders handeln konnte. Diejenigen Personen, die aus ihrer Kenntnis der Sache heraus an Julija Michailowna Empfehlungsbriefe für mich geschrieben haben, haben mich darin als einen ehrenhaften Menschen bezeichnet ... Na, aber lassen wir das alles beiseite; ich bin zu Ihnen gekommen, um etwas sehr Ernstes mit Ihnen zu besprechen, und es ist recht gut, daß Sie diesen Ihren Schornsteinfeger hinausgeschickt haben. Die Sache ist mir von großer Wichtigkeit, Andrei Antonowitsch; ich habe eine außerordentliche Bitte an Sie.«
    »Eine Bitte? Hm ... Nun, sprechen Sie sie aus; ich warte darauf und bin, wie ich bekenne, einigermaßen gespannt. Und ich muß hinzufügen, daß Sie mich überhaupt in große Verwunderung versetzen, Peter

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