Die Dämonen
Mensch; daher möchte ich Ihnen die Frage vorlegen: warum lassen sich nicht bedeutendere Leute anwerben, warum immer nur Studenten und unausgereifte Menschen von zweiundzwanzig Jahren? Und sind ihrer etwa viele? Eine Million Spürhunde ist auf der Suche nach ihnen, und wie viele finden sie denn im ganzen? Sieben Menschen! Ich sage Ihnen, die Geschichte wird einem langweilig.«
Lembke hörte aufmerksam zu, aber mit einer Miene, die deutlich besagte: mit allgemeinen Redensarten ist mir nicht gedient.
»Aber erlauben Sie, Sie behaupten, daß der Brief nach dem Auslande adressiert war; aber eine Adresse ist hier nicht vorhanden; woher wissen Sie denn, daß der Brief an Herrn Kirillow adressiert war und ferner nach dem Auslande, und ... und ... daß er wirklich von Herrn Schatow geschrieben ist?«
»Verschaffen Sie sich doch sogleich Schatows Handschrift, und vergleichen Sie beides! In Ihrer Kanzlei wird sich gewiß eine Unterschrift von ihm auftreiben lassen. Und daß der Brief an Kirillow gerichtet war, weiß ich daher, weil Kirillow ihn mir damals selbst gezeigt hat.«
»Also sind Sie selbst ...«
»Nun ja, natürlich, ich selbst. Die Leute haben mir da alles mögliche gezeigt. Und was diese Verse anlangt, so wird fingiert, der verstorbene Herzen habe sie für Schatow geschrieben, als dieser sich noch im Auslande umhertrieb; sie seien als eine Erinnerung an ihre Begegnung, als ein Lob und eine Empfehlung der Persönlichkeit gemeint; na, weiß der Teufel ... Und Schatow verbreitet das Gedicht nun unter den jungen Leuten und sagt ihnen damit: ›So hat Herzen selbst über mich geurteilt.‹«
»Tje, tje, tje!« schnalzte Lembke, als wenn er nun endlich alles erraten hätte. »Ich habe immer überlegt: die Proklamation, das versteht man; aber warum die Verse?«
»Wie sollten Sie das nicht verstehen? Aber weiß der Kuckuck, warum ich Ihnen das alles vorplaudere! Hören Sie, geben Sie mir Schatow frei, und dann mag alle übrigen der Teufel holen, sogar Kirillow einbegriffen, der sich jetzt im Filippowschen Hause eingeschlossen hat und verborgen hält, wo auch Schatow wohnt. Diese Menschen mögen mich nicht leiden, weil ich mich von ihnen losgesagt habe; aber versprechen Sie mir, Schatow zu schonen, und ich will Ihnen alle andern auf einem Präsentierteller darbieten. Ich werde mich nützlich machen, Andrei Antonowitsch! Ich schätze diese ganze klägliche Gesellschaft auf neun bis zehn Mann. Ich werde ihnen selbst nachspüren, auf eigene Hand. Dreie kennen wir schon: Schatow, Kirillow und den Unterleutnant. Die übrigen erkenne ich noch nicht mit hinreichender Deutlichkeit ... übrigens bin ich nicht kurzsichtig. Es ist hier gerade wie im Gouvernement Ch***; was waren das da für Leute, die mit Proklamationen abgefaßt wurden: zwei Studenten, ein Gymnasiast, zwei zwanzigjährige Adlige, ein Lehrer und ein sechzigjähriger Major a.D., der vom Trinken ganz dumm im Kopfe war; das war alles; glauben Sie mir, das war alles; man war ganz erstaunt darüber, daß das alles war. Aber ich brauche sechs Tage. Ich habe es mir schon ausgerechnet: sechs Tage, nicht weniger. Wenn Sie ein gutes Resultat erzielen wollen, so lassen Sie die Leute noch sechs Tage lang unangerührt, und dann werde ich sie Ihnen in ein Bündel zusammenbinden; aber wenn Sie sie früher aufstören, so fliegt das Nest aus. Aber schenken Sie mir Schatow! Ich bitte für Schatow ... Das beste wäre, wenn Sie ihn insgeheim und freundschaftlich zu sich rufen ließen, etwa hierher, in Ihr Arbeitszimmer, den Schleier vor ihm lüfteten und ihn examinierten. Er wird Ihnen gewiß von selbst zu Füßen fallen und in Tränen ausbrechen! Er ist ein nervöser, unglücklicher Mensch; seine Frau hat intimen Verkehr mit Stawrogin gehabt. Seien Sie freundlich zu ihm, und er wird Ihnen alles selbst enthüllen; aber Sie müssen noch sechs Tage damit warten ... Und vor allen Dingen, vor allen Dingen, sagen Sie keine Silbe zu Julija Michailowna! Es muß ein Geheimnis bleiben. Können Sie das Geheimnis bewahren?«
»Wie?« fragte Lembke und riß die Augen weit auf. »Haben Sie denn Julija Michailowna nichts davon entdeckt?«
»Ihr entdeckt? Aber ich bitte Sie, Gott soll mich behüten! Ach, Andrei Antonowitsch! Sehen Sie, ich lege den größten Wert auf die Freundschaft Ihrer Frau Gemahlin und schätze sie selbst sehr hoch ... na und so weiter ... aber einen solchen Bock werde ich nicht schießen. Ich widerspreche ihr nicht, weil das, wie Sie selbst wissen, gefährlich ist. Ich
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