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Die Dämonen

Titel: Die Dämonen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Fëdor Michajlovic Dostoevskij
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Pension bekomme; denn wovon soll ich leben? Sie selbst werden es nicht zu bereuen haben; denn für Sie wird dabei ein hoher Orden herauskommen. Es muß ganz im stillen verfahren werden; sonst drehen sie einem das Genick um.
    Euer Exzellenz verzweifelter Mensch
    fällt zu Ihren Fußspuren nieder
    der reuige Freidenker Incognito.«
     
    Herr v. Lembke erwähnte, der Brief sei gestern in die Portierloge hineingelegt worden in einem Augenblicke, als niemand darin gewesen sei.
    »Wie denken Sie denn darüber?« fragte Peter Stepanowitsch in beinah grobem Tone.
    »Ich möchte meinen, daß es ein anonymes Pasquill ist, ein Verspottung.«
    »Das wird das Wahrscheinlichste sein. Sie führt man nicht hinter das Licht.«
    »Ich glaube das besonders deshalb, weil es so dumm ist.«
    »Haben Sie hier schon andere Pasquille erhalten?«
    »Ja, zweimal, beide anonym.«
    »Na, natürlich tragen sie keine Unterschrift. In verschiedenem Stil und in verschiedener Handschrift?«
    »Ja, in verschiedenem Stil und in verschiedener Handschrift.«
    »Und waren die auch so possenhaft wie dieses hier?«
    »Ja, das waren sie, und, wissen Sie, sehr garstig.«
    »Na, wenn Sie sonst schon welche bekommen haben, dann wird wohl auch dies eines sein.«
    »Ich glaube das hauptsächlich deswegen, weil es so dumm ist. Denn jene Leute sind gebildet und schreiben sicherlich nicht so dumm.«
    »Na ja, na ja.«
    »Wie aber, wenn da wirklich jemand eine Anzeige erstatten will?«
    »Das ist unwahrscheinlich,« antwortete Peter Stepanowitsch kurz und trocken. »Was bedeutet denn das Telegramm aus dem Ministerium des Innern und die Pension? Ein offenkundiges Pasquill.«
    »Ja, ja,« stimmte ihm Lembke beschämt bei.
    »Wissen Sie was? Überlassen Sie das Schriftstück mir! Ich werde Ihnen den Verfasser mit Sicherheit ausfindig machen. Noch bevor ich die andern herausbekomme.«
    »Nehmen Sie es!« willigte v. Lembke ein, wiewohl nach einigem Zaudern.
    »Haben Sie es schon jemandem gezeigt?«
    »Nein, nach Möglichkeit niemandem.«
    »Also doch Ihrer Frau Gemahlin?«
    »Ach, Gott soll mich bewahren, und zeigen auch Sie es ihr um des Himmels willen nicht!« rief Lembke ängstlich. »Es würde sie so angreifen ... und sie würde auf mich furchtbar aufgebracht sein.«
    »Ja, Sie würden der erste sein, der es von ihr abbekäme; sie würde sagen, Sie seien selbst schuld daran, wenn Ihnen solche Briefe geschrieben würden. Man kennt ja die Logik der Frauen. Nun, leben Sie wohl! Ich werde Ihnen vielleicht schon in drei Tagen diesen Verfasser vorstellen. Die Hauptsache bleibt unsere Verabredung.«
     
IV.
     
    Peter Stepanowitsch war vielleicht kein dummer Mensch; aber der Sträfling Fedka hatte mit Recht von ihm gesagt, er mache sich in seinem Kopfe von einem Menschen eine bestimmte Vorstellung zurecht und behandle ihn dann dauernd auf Grund dieser Vorstellung. Als er von Lembke fortging, war er fest davon überzeugt, daß er diesen wenigstens für sechs Tage beruhigt habe; diese Frist aber brauchte er höchst notwendig. Aber seine Annahme war irrig, und seine ganze Spekulation beruhte nur darauf, daß er sich Andrei Antonowitsch gleich von Anfang an und ein für alle Mal als einen ganz beschränkten Menschen vorgestellt hatte.
    Wie jeder zu seiner eigenen Qual argwöhnische Mensch war Andrei Antonowitsch jedesmal, wenn er aus einem Zustande der Ungewißheit herauskam, im ersten Augenblick sehr fröhlich und vertrauensvoll. Die neue Wendung der Dinge erschien ihm zunächst in ziemlich erfreulichem Lichte, obwohl sich schon wieder einige sorgenvolle Komplikationen bemerklich machten. Aber wenigstens waren die alten Zweifel erledigt. Überdies war er nach den letzten Tagen so müde und fühlte sich so zermartert und hilflos, daß seine Seele unwillkürlich nach Ruhe dürstete. Aber leider war er doch schon wieder unruhig. Das lange Leben in Petersburg hatte in seiner Seele unverwischbare Spuren zurückgelassen. Die offizielle und sogar die geheime Geschichte der »neuen Generation« war ihm hinreichend bekannt (er war ein wißbegieriger Mensch und hatte Proklamationen gesammelt); aber begriffen hatte er von dieser Geschichte niemals auch nur das geringste. Jetzt aber hatte er eine Empfindung, wie wenn er sich in einem Walde verirrt hätte: er spürte instinktiv, daß in Peter Stepanowitschs Worten etwas lag, was mit allen Formen und Gebräuchen unvereinbar war; »freilich, weiß der Teufel, was bei dieser ›neuen Generation‹ alles geschehen kann, und weiß der Teufel,

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