Die Dämonen
nicht bemerkt hätte, setzte sich wieder auf das Sofa und wies den Besucher liebenswürdig auf einen gegenüberstehenden Lehnstuhl hin, auf dem dieser es sich auch sofort bequem machte.
»Sie mögen nicht ... Wollen Sie nicht frühstücken?« fragte der Wirt, diesmal von seiner Gewohnheit abgehend, aber selbstverständlich mit einer Miene, die dem andern eine höflich ablehnende Antwort in deutlicher Art nahelegte.
Peter Stepanowitsch sprach sofort den Wunsch aus zu frühstücken. Ein Schatten der Verwunderung und Empfindlichkeit verdunkelte das Gesicht des Wirtes, aber nur für einen Augenblick; er klingelte nervös dem Diener und sprach, als er befahl, noch ein Frühstück zu bringen, trotz all seiner Erziehung mit erhobener Stimme und in verdrießlichem Tone.
»Was wünschen Sie, ein Kotelett oder Kaffee?« erkundigte er sich noch einmal.
»Sowohl ein Kotelett als auch Kaffee, und lassen Sie doch auch Wein bringen; ich bin ganz ausgehungert,« antwortete Peter Stepanowitsch und musterte dabei mit ruhiger Aufmerksamkeit das Kostüm seines Wirtes.
Herr Karmasinow trug eine Art von wattierter Hausjacke mit Perlmutterknöpfen; sie hatte die Fasson eines Jaketts, war aber so kurz, daß sie nicht bis an seinen ziemlich feisten Bauch und bis an die prallen, rundlichen Teile am Anfang der Beine reichte; aber der Geschmack ist eben verschieden. Auf den Knien hatte er ein ausgebreitetes, wollenes, kariertes Plaid liegen, obgleich es im Zimmer warm war.
»Sie sind wohl krank?« bemerkte Peter Stepanowitsch.
»Nein, ich bin gesund; aber ich fürchte, in diesem Klima krank zu werden,« antwortete der Schriftsteller mit seiner kreischenden Stimme, wobei er nach jeder Silbe eine kleine Pause machte und in vornehmer Art anmutig lispelte. »Ich hatte Sie schon gestern erwartet.«
»Wieso denn? Ich hatte doch nichts versprochen.«
»Nein, aber Sie haben mein Manuskript. Haben Sie es durchgelesen?«
»Manuskript? Was für ein Manuskript?«
Karmasinow war höchlichst erstaunt.
»Aber Sie werden es doch mitgebracht haben?« fragte er in solcher Aufregung, daß er sogar zu essen aufhörte, und blickte Peter Stepanowitsch ganz erschrocken an.
»Ach so, das über
›Bonjour‹,
nicht wahr?«
»›Merci‹.«
»Na, das tut nichts. Ich habe es ganz vergessen und es nicht gelesen; ich hatte keine Zeit. Wahrhaftig, ich weiß nicht, in den Taschen habe ich es nicht; also muß es bei mir zu Hause auf dem Tische liegen. Seien Sie unbesorgt; es wird sich schon finden.«
»Nein, das Beste ist doch wohl, daß ich sofort zu Ihnen hinschicke. Es könnte verloren gehen; oder es könnte es am Ende jemand stehlen.«
»Na, wer kann das brauchen? Aber warum sind Sie denn so erschrocken? Julija Michailowna hat mir ja gesagt, Sie hätten von Ihren Schriften immer mehrere fertige Abschriften, eine bei einem Notar im Auslande, eine zweite in Petersburg, eine dritte in Moskau, und eine schicken Sie ja wohl noch an die Bank, nicht wahr?«
»Aber Moskau kann ja doch auch abbrennen und mit ihm mein Manuskript. Nein, ich werde doch lieber gleich hinschicken.«
»Halt, da ist es!« rief Peter Stepanowitsch und zog aus der hinteren Rocktasche ein Päckchen Briefbogen. »Es ist ein bißchen zerknittert; denken Sie sich: wie ich es damals bei Ihnen bekommen habe, so hat es die ganze Zeit über mit dem Taschentuche zusammen in der hinteren Rocktasche gesteckt! Ich hatte es ganz vergessen.«
Karmasinow griff eifrig nach dem Manuskripte, betrachtete es sorgsam, zählte die Blätter durch und legte es respektvoll einstweilen neben sich auf ein besonderes Tischchen, aber so, daß er es fortwährend im Auge hatte.
»Sie lesen nicht sehr viel, wie es scheint?« konnte er sich nicht enthalten mit seiner zischenden Aussprache zu fragen.
»Nein, nicht sehr viel.«
»Und auf dem Gebiete der russischen Belletristik wohl gar nichts?«
»Auf dem Gebiete der russischen Belletristik? Erlauben Sie, ich habe etwas gelesen ... ›Auf dem Wege‹ hieß es ... oder ›Auf den Weg‹ ... oder ›Am Kreuzwege‹, ich besinne mich nicht mehr. Es ist schon lange her, daß ich es gelesen habe, etwa fünf Jahre. Ich habe keine Zeit.«
Es trat ein längeres Stillschweigen ein.
»Seit ich hierher kam,« begann Karmasinow von neuem, »habe ich allen Leuten hier versichert, daß Sie ein außerordentlich kluger Mensch seien, und jetzt scheinen ja auch alle ganz entzückt von Ihnen zu sein.«
»Ich danke Ihnen,« erwiderte Peter Stepanowitsch ruhig.
Das Frühstück wurde
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