Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Die Dämonen

Titel: Die Dämonen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Fëdor Michajlovic Dostoevskij
Vom Netzwerk:
Maximowitsch, Sie haben ja selbst zu mir gesagt, Sie glaubten nicht an Gott,« kreischte vom Ende des Tisches her Liputin.
    »Was soll hier das, was ich gesagt habe? Mit mir ist das eine ganz andere Sache! Vielleicht glaube ich auch, nur nicht so ganz. Aber obgleich ich nicht vollständig glaube, sage ich doch nicht, daß Gott erschossen werden müsse. Ich habe, als ich noch bei den Husaren diente, über Gott viel nachgedacht. In allen Gedichten heißt es herkömmlicherweise, ein Husar trinke und führe ein flottes Leben; na ja, ich habe vielleicht auch getrunken; aber, glauben Sie mir, ich bin manchmal in der Nacht in bloßen Socken aufgesprungen und habe mich vor dem Heiligenbilde bekreuzt und gebetet, daß Gott mir den Glauben geben möge, weil mich schon damals die Frage beunruhigte: gibt es einen Gott oder nicht? So sauer habe ich es mir werden lassen! Am Morgen hat man dann natürlich seine Ablenkung, und der Glaube sinkt gewissermaßen zusammen, wie ich denn überhaupt bemerkt habe, daß bei Tage der Glaube immer etwas abnimmt.«
    »Wird denn bei Ihnen nicht Karte gespielt werden?« fragte Werchowenski die Hausfrau und gähnte dabei mit weit geöffnetem Munde.
    »Ich sympathisiere durchaus mit Ihrer Frage, durchaus!« rief die Studentin, die vor Entrüstung über die Worte des Majors einen ganz roten Kopf bekommen hatte.
    »Man verliert nur die goldene Zeit, wenn man diese törichten Reden mit anhört,« sagte die Wirtin in scharfem Tone und blickte ihren Mann streng an.
    Die Studentin schickte sich zum Reden an.
    »Ich wollte der Versammlung von den Leiden und dem Proteste der Studenten Mitteilung machen, und da die Zeit mit unmoralischen Gesprächen vergeudet wird ...«
    »Es gibt weder etwas Moralisches noch etwas Unmoralisches!« konnte der Gymnasiast sich nicht enthalten zu bemerken, sowie die Studentin angefangen hatte zu reden.
    »Das habe ich viel früher gewußt, als man es Ihnen beigebracht hat, Herr Gymnasiast.«
    »Und ich behaupte,« versetzte dieser wütend, »daß Sie ein Kind sind, das aus Petersburg hergekommen ist, um uns alle über Dinge aufzuklären, die wir bereits selbst wissen. Über das Gebot ›Du sollst deinen Vater und deine Mutter ehren‹, das Sie nicht aufsagen konnten, und darüber, daß es unmoralisch ist, wissen schon seit Bjelinski 1 alle Leute in Rußland Bescheid.«
    »Wird denn dieses Gerede nicht endlich einmal ein Ende nehmen?« fragte Madame Wirginskaja ihren Mann in scharfem Tone.
    Als Wirtin schämte sie sich über die wertlosen Gespräche, besonders da sie bei den zum ersten Male eingeladenen Gästen eine gewisse Verwunderung und ein leises Lächeln bemerkte.
    »Meine Herren,« sagte Wirginski auf einmal mit erhobener Stimme, »falls jemand wünschen sollte, über etwas mehr zur Sache Gehöriges zu reden, oder falls jemand eine Mitteilung zu machen hat, schlage ich vor, ohne weiteren Zeitverlust damit zu beginnen.«
    »Ich bin so frei, eine Frage zu stellen,« sagte in sanftem Tone der lahme Lehrer, der bis dahin schweigsam und in besonders wohlanständiger Haltung dagesessen hatte: »ich würde gern wissen, ob wir hier jetzt eine Sitzung darstellen oder einfach eine Versammlung von gewöhnlichen Sterblichen bilden, die zu Besuch gekommen sind. Ich frage mehr um der Ordnung willen, und um mich nicht in Ungewißheit zu befinden.«
    Die »listige« Frage tat ihre Wirkung; alle schauten einander an, als ob einer vom andern eine Antwort erwartete, und plötzlich richteten alle wie auf Kommando ihre Blicke auf Werchowenski und Stawrogin.
    »Ich schlage einfach vor, über die Antwort auf die Frage: ›Sind wir eine Sitzung oder nicht?‹ abzustimmen,« sagte Madame Wirginskaja.
    »Ich schließe mich diesem Vorschlag durchaus an,« ließ sich Liputin vernehmen, »obwohl er etwas unbestimmt ist.«
    »Auch ich schließe mich an! Auch ich!« riefen mehrere Stimmen.
    »Auch ich bin der Ansicht, daß dann tatsächlich mehr Ordnung sein wird,« fügte Wirginski bekräftigend hinzu.
    »Also zur Abstimmung!« forderte die Hausfrau auf. »Ljamschin, bitte, setzen Sie sich ans Klavier; Sie können auch von dort aus Ihre Stimme abgeben, wenn die Abstimmung begonnen hat.«
    »Schon wieder!« rief Ljamschin. »Ich habe Ihnen doch schon genug vorgetrommelt!«
    »Ich bitte Sie dringend: setzen Sie sich hin, und spielen Sie! Wollen Sie denn nicht der Sache nützen?«
    »Aber ich versichere Ihnen, Arina Prochorowna, daß niemand horcht. Das ist Ihrerseits nur eine Einbildung. Auch liegen ja

Weitere Kostenlose Bücher