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Die Dämonen

Titel: Die Dämonen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Fëdor Michajlovic Dostoevskij
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Gesichtern der Hausfrau, Liputins und des lahmen Lehrers prägte sich deutlich ein gewisser Ärger aus.
    »Wenn Sie selbst es nicht verstanden haben, Ihr System zurechtzumodeln, und darüber in Verzweiflung geraten sind, was sollen dann wir erst machen?« bemerkte vorsichtig einer der Offiziere.
    »Sie haben recht, Herr aktiver Offizier,« wandte sich Schigalew in scharfem Tone zu ihm, »und besonders darin, daß Sie das Wort ›Verzweiflung‹ gebraucht haben. Ja, ich bin zur Verzweiflung gelangt; nichtsdestoweniger ist alles, was in meinem Buche dargelegt ist, durch nichts anderes zu ersetzen, und eine andere Lösung gibt es nicht; es wird niemand eine andere erdenken können. Und darum beeile ich mich ohne Zeitverlust, die ganze Gesellschaft aufzufordern, wenn sie mein Buch im Laufe von zehn Abenden wird angehört haben, ihre Meinung zu sagen. Wenn aber die Mitglieder mich nicht anhören wollen, dann wollen wir gleich von vornherein auseinandergehen: die Männer, um im Staatsdienste tätig zu sein, die Frauen in ihre Küchen; denn nach Ablehnung meines Buches wird den einen wie den andern weiter nichts übrigbleiben. Ab-so-lut nichts! Wenn sie den richtigen Zeitpunkt vorübergehen lassen, so werden sie sich selbst schaden, da sie dann unvermeidlich zu ihrer alten Beschäftigung zurückkehren müssen.«
    Es entstand eine Bewegung: »Was ist mit ihm? Er ist wohl verrückt, wie?« wurde von mehreren gerufen.
    »Also handelt es sich jetzt lediglich um Schigalews Verzweiflung,« bemerkte Ljamschin, das Fazit ziehend. »Der Kern der Frage ist aber der: darf er in Verzweiflung sein oder nicht?«
    »Schigalews an Verzweiflung grenzender Zustand ist eine rein persönliche Frage,« äußerte der Gymnasiast.
    »Ich beantrage, darüber abzustimmen, inwieweit Schigalews Verzweiflung die gemeinsame Sache berührt, und damit zugleich, ob es der Mühe wert ist, ihn anzuhören,« schlug ein Offizier vergnügt vor.
    »Es handelt sich hier um etwas anderes,« mischte sich endlich der Lahme ein. Meist sprach er mit einer Art von spöttischem Lächeln, so daß schwer zu unterscheiden war, ob er im Ernst redete oder scherzte. »Es handelt sich hier um etwas anderes, meine Herrschaften! Herr Schigalew hat sich seiner Aufgabe mit großem Ernste gewidmet und ist dabei sehr bescheiden. Sein Buch ist mir bekannt. Er schlägt als endgültige Lösung der Frage die Zerlegung der Menschheit in zwei ungleiche Teile vor. Ein Zehntel erhält die Freiheit der Persönlichkeit und das unbeschränkte Recht über die übrigen neun Zehntel. Diese aber müssen ihre Persönlichkeit verlieren und sich in eine Art von Herde verwandeln und bei unbegrenztem Gehorsam durch eine Reihe von Wiedergeburten die ursprüngliche Unschuld, gewissermaßen das ursprüngliche Paradies wiedererlangen, obwohl sie übrigens auch werden arbeiten müssen. Die vom Verfasser vorgeschlagenen Maßregeln, um neun Zehnteln der Menschheit den Willen zu nehmen und dieselben vermittels einer umbildenden Erziehung ganzer Generationen in eine Herde zu verwandeln, sind sehr interessant, auf naturwissenschaftliche Tatsachen gegründet und streng logisch. Man kann mit einzelnen Schlußfolgerungen nicht einverstanden sein; aber an der Klugheit und den Kenntnissen des Verfassers kann man nicht leicht zweifeln. Es ist schade, daß seine Forderung von zehn Abenden mit den Umständen völlig unvereinbar ist; sonst würden wir viel Interessantes zu hören bekommen.«
    »Reden Sie wirklich im Ernst?« wandte sich Madame Wirginskaja ordentlich erregt an den Lahmen. »Wenn doch dieser Mensch nicht weiß, wo er mit den Menschen bleiben soll, und daher neun Zehntel von ihnen zu Sklaven macht? Ich habe ihn schon lange im Verdacht gehabt.«
    »Sie reden von Ihrem Bruder?« fragte der Lahme.
    »Was soll dabei die Verwandtschaft? Wollen Sie sich über mich lustig machen?«
    »Und außerdem sollen sie für die Aristokraten arbeiten und ihnen wie Göttern gehorchen; das ist eine Gemeinheit!« rief die Studentin hitzig.
    »Was ich vorschlage, ist nicht eine Gemeinheit, sondern ein Paradies, ein irdisches Paradies, und ein anderes ist auf der Erde nicht möglich,« erklärte Schigalew autoritativ.
    »Ich aber würde«, rief Ljamschin, »statt eines Paradieses, diese neun Zehntel der Menschheit, wenn man nun doch einmal nicht weiß, wo man mit ihnen bleiben soll, einfach nehmen und in die Luft sprengen und würde nur ein Häufchen von gebildeten Leuten übriglassen, die dann ein behagliches, der Wissenschaft

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