Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Die Dämonen

Titel: Die Dämonen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Fëdor Michajlovic Dostoevskij
Vom Netzwerk:
Verfasser von Dramen und Romanen, 1809-1868.
    Anmerkung des Übersetzers.
     
     

Zehntes Kapitel.
     
    Die Flibustier.
    Der verhängnisvolle Vormittag.
     
I.
    Das Erlebnis, das wir unterwegs hatten, war ebenfalls eines, welches geeignet war Erstaunen zu erregen. Aber ich muß alles der Reihe nach erzählen. Eine Stunde bevor Stepan Trofimowitsch und ich auf die Straße traten, zog durch die Stadt, von vielen neugierig betrachtet, eine Schar von Menschen, Arbeitern der Schpigulinschen Fabrik, etwa siebzig Mann, vielleicht auch mehr. Sie gingen wohlanständig, fast schweigend und absichtlich in guter Ordnung. Später ist behauptet worden, diese siebzig seien von allen Schpigulinschen Arbeitern, deren Zahl sich auf ungefähr neunhundert belief, deputiert worden mit dem Auftrage, zum Gouverneur zu gehen und in Abwesenheit der Fabrikbesitzer bei diesem ihr Recht gegen den Fabrikdirektor zu suchen, der nach Schließung der Fabrik und Entlassung der Arbeiter sie alle in schamloser Weise betrogen hatte, eine Tatsache, die jetzt keinem Zweifel unterliegt. Andere bestreiten bei uns bis auf den heutigen Tag, daß es sich um eine Deputation gehandelt habe, mit der Begründung, siebzig Mann seien für eine Deputation zu viel; diese Schar habe einfach aus den am meisten Geschädigten bestanden, und sie seien gekommen, um lediglich für sich selbst zu bitten, so daß von einer allgemeinen »Arbeiterrebellion«, von der später so viel Lärm gemacht worden ist, überhaupt nicht die Rede sein könne. Wieder andere vertreten mit Heftigkeit die Ansicht, diese siebzig Mann seien nicht einfache Aufständische, sondern politische Aufrührer der schlimmsten Sorte gewesen und seien überdies lediglich durch heimlich verbreitete Flugschriften aufgereizt worden. Kurz, ob da irgend jemandes Einfluß oder Überredung dahintersteckte, ist noch bis jetzt nicht genau bekannt. Meine persönliche Meinung ist, daß die Arbeiter die geheimen Flugschriften überhaupt nicht gelesen und, wenn sie sie gelesen, kein Wort davon verstanden hatten, schon allein aus dem Grunde, weil die Verfasser derselben bei aller Nacktheit ihrer Ausdrucksweise doch äußerst unklar schreiben. Da aber die Arbeiter in der Tat übers Ohr gehauen waren und die Polizei, an die sie sich gewendet hatten, sich auf ihre Klage nicht einlassen wollte, was war da natürlicher, als daß sie auf den Gedanken kamen, zusammen »zum General selber« zu gehen, sich womöglich mit einer Klageschrift an der Spitze des Zuges wohlanständig vor seiner Haustür aufzustellen und, sowie er erscheinen würde, sich alle vor ihm auf die Knie zu werfen und ihn jammernd anzurufen wie die Vorsehung selbst? Meiner Ansicht nach brauchte man da weder an eine Rebellion noch auch nur an eine Deputation zu glauben; denn dies ist ein altes, historisches Mittel; das russische Volk hat von jeher ein Gespräch »mit dem General selber« geliebt, schon allein wegen des damit verbundenen Vergnügens, mochte der Ausgang des Gespräches sein, wie er wollte.
    Und daher bin ich vollkommen überzeugt, daß, wenn auch Peter Stepanowitsch, Liputin und vielleicht sonst noch jemand, vielleicht sogar auch Fedka vorher unter den Arbeitern umherhuschten (denn für diesen Punkt sind wirklich ziemlich starke Beweise vorhanden) und mit ihnen redeten, sie sich dabei sicherlich doch an nicht mehr als zwei, drei, nun, sagen wir auch an fünf lediglich versuchsweise wendeten, und daß diese Gespräche ohne Erfolg blieben. Was aber eine Rebellion anlangt, so hörten die Arbeiter, wenn sie überhaupt etwas von der Propaganda dieser Agitatoren verstanden, doch gewiß sofort auf zuzuhören, weil sie dieselbe für etwas Dummes und für ein durchaus ungeeignetes Mittel hielten. Eine andere Sache war es mit Fedka: diesem glückte es anscheinend besser als Peter Stepanowitsch. An der Brandstiftung die drei Tage darauf in der Stadt stattfand, waren, wie jetzt unzweifelhaft klargestellt ist, tatsächlich mit Fedka zusammen zwei Fabrikarbeiter beteiligt, und später, einen Monat nachher, wurden noch drei frühere Fabrikarbeiter im Kreise ebenfalls wegen Brandstiftung und Raubes festgenommen. Aber wenn es auch Fedka gelungen war, sie zu direktem Handeln zu verleiten, so bezog sich das doch auch wieder nur auf diese fünf; denn von den andern hat nie etwas Derartiges verlautet.
    Wie dem nun auch sein mochte, die ganze Arbeiterschar gelangte schließlich auf den freien Platz vor dem Hause des Gouverneurs und stellte sich dort ordentlich und

Weitere Kostenlose Bücher