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Die Dämonen

Titel: Die Dämonen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Fëdor Michajlovic Dostoevskij
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einen heiteren Scherz?«
    »Ja, das tue ich.«
    »Sie lügen einfach, und das Gedicht ist Ihnen gar nicht eben erst gebracht worden. Sie haben es selbst mit Lebjadkin zusammen verfaßt, vielleicht schon gestern, um einen Skandal hervorzurufen. Der letzte Vers rührt zweifellos von Ihnen her; ebenso das von dem Kirchendiener Gesagte. Warum ist er denn im Frack auf die Estrade gekommen? Offenbar war von Ihnen alles dazu vorbereitet, daß er das Gedicht selbst vorlesen sollte, wenn er sich nicht betrunken hätte.«
    Liputin blickte mich kalt und boshaft an.
    »Was geht Sie das an?« fragte er auf einmal mit seltsamer Ruhe.
    »Was ist das für eine Frage? Sie tragen ebenfalls diese Schleife ... Wo ist Peter Stepanowitsch?«
    »Ich weiß es nicht; er wird wohl hier irgendwo sein; wieso?«
    »Ich will sagen, daß ich jetzt alles durchschaue. Das ist einfach ein Komplott gegen Julija Michailowna, um das Fest durch einen Skandal zu stören ...«
    Liputin warf mir wieder einen schrägen Blick zu.
    »Was kümmert es Sie?« sagte er lächelnd, zuckte mit den Achseln und ging zur Seite.
    Es überlief mich kalt. Alle meine bösen Ahnungen gingen in Erfüllung. Und ich hatte noch gehofft, daß ich mich irrte! Was sollte ich nun tun? Ich dachte schon daran, Stepan Trofimowitsch um Rat zu fragen; aber dieser stand vor dem Spiegel, probierte verschiedene Arten des Lächelns und blickte alle Augenblicke auf einen Zettel, auf dem er sich Notizen gemacht hatte. Er sollte unmittelbar nach Karmasinow auftreten und war nicht mehr imstande mit mir ein Gespräch zu führen. Sollte ich zu Julija Michailowna laufen? Aber dazu war es noch zu früh; für sie war eine weit stärkere Lektion erforderlich, um sie von der Einbildung zu kurieren, daß sie von Anhängern »umringt« und alle ihr »fanatisch ergeben« seien. Sie hätte mir nicht geglaubt und mich für einen Gespensterseher gehalten. Und wodurch hätte sie auch helfen können? »Ach was!« dachte ich; »was geht es mich eigentlich an? Ich werde die Schleife abmachen und nach Hause gehen, sobald die Geschichte losgeht.« Ich gebrauchte diesen Ausdruck: »sobald die Geschichte losgeht«; das ist mir noch im Gedächtnis.
    Aber ich mußte hingehen und Karmasinow hören. Als ich zum letztenmal einen Blick hinter die Kulissen warf, bemerkte ich, daß sich dort ziemlich viel fremdes Volk herumtrieb, kam und ging, darunter sogar Weiber. Dieses »hinter den Kulissen« war ein ziemlich enger Raum, der vom Publikum durch einen Vorhang vollständig abgeschlossen war und nach hinten zu über einen Korridor weg mit den anderen Zimmern in Verbindung stand. Hier warteten unsere Vorleser, bis sie an die Reihe kamen. Aber mich setzte in diesem Augenblicke besonders der Lektor in Erstaunen, der auf Stepan Trofimowitsch folgen sollte. Dies war ebenfalls eine Art Professor (ich weiß auch jetzt nicht genau, was er eigentlich war), der freiwillig nach einem Studentenkrawalle von einer Hochschule abgegangen und aus irgendwelchem Grunde nach unserer Stadt gekommen war, und zwar erst vor einigen Tagen. Er hatte ebenfalls Empfehlungen an Julija Michailowna mitgebracht, und sie hatte ihn voll Verehrung aufgenommen. Ich weiß jetzt, daß er vor der Vorlesung nur an einem Abend bei ihr gewesen war, den ganzen Abend über bei ihr geschwiegen, über die Scherze und den ganzen Ton der Gesellschaft, die sich um Julija Michailowna scharte, zweideutig gelächelt und durch sein hochmütiges und gleichzeitig bis zur Schreckhaftigkeit empfindliches Wesen auf alle einen unangenehmen Eindruck gemacht hatte. Zu einer Vorlesung hatte ihn Julija Michailowna selbst angeworben. Jetzt ging er von einer Ecke in die andere und flüsterte ebenfalls, gerade wie Stepan Trofimowitsch, etwas vor sich hin, blickte aber zu Boden und nicht in den Spiegel. Er probierte nicht verschiedene Arten des Lächelns, obwohl er häufig und grimmig lächelte. Es war klar, daß auch mit ihm nicht zu reden war. Er war von Statur klein, anscheinend etwa vierzig Jahre alt, kahlköpfig, mit grauem Barte, anständig gekleidet. Aber am meisten interessierte es mich, daß er bei jeder Wendung die rechte Faust in die Höhe hob, sie in der Luft über seinem Kopfe schüttelte und dann auf einmal niederfallen ließ, als ob er einen Gegner zu Boden schmetterte. Diesen Hokuspokus machte er alle Augenblicke. Mir wurde bänglich zumute. Ich lief so schnell wie möglich hin, um Karmasinow zu hören.
     
III.
     
    Im Saale herrschte wieder eine unheimliche Atmosphäre.

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