Die Dämonen
er hastig nach den Streichhölzern. Die waren, wie gewöhnlich in solchen Fällen, nicht zu finden. Er ließ in der Erregung den Leuchter mit der Kerze auf den Fußboden fallen, und als von unten wieder die ungeduldige Stimme erscholl, ließ er alles liegen und lief Hals über Kopf seine steile Treppe hinunter, um das Pförtchen zu öffnen.
»Tun Sie mir den Gefallen und halten Sie die Reisetasche, bis ich mich mit diesem Dummkopf auseinandergesetzt habe,« sagte unten Frau Marja Schatowa als Begrüßung zu ihm und schob ihm eine ziemlich leichte, billige Handtasche aus Segeltuch mit Messingbuckeln, Dresdner Fabrikat, in die Hand. Sie selbst fuhr gereizt auf den Kutscher los:
»Ich muß Ihnen sagen, daß Ihre Forderung übermäßig ist. Wenn Sie mich eine ganze Stunde lang unnötigerweise durch diese schmutzigen Straßen gekarrt haben, so sind Sie selbst daran schuld, da Sie offenbar nicht gewußt haben, wo diese dumme Straße und dieses verrückte Haus ist. Nehmen Sie Ihre dreißig Kopeken; Sie können sich darauf verlassen, daß Sie nicht mehr bekommen.«
»Ach, Madamchen, Sie haben ja doch selbst von der Wosnesenskaja-Straße gesprochen, und dies hier ist die Bogojawlenskaja-Straße. Die Wosnesenskaja-Gasse liegt ja an einem ganz anderen Ende. Wir haben den Wallach unnötig in Schweiß gebracht.«
»Wosnesenskaja, Bogojawlenskaja – alle diese dummen Benennungen mußten Ihnen besser bekannt sein als mir, da Sie ein hiesiger Einwohner sind; und außerdem haben Sie unrecht: ich habe Ihnen gleich von vornherein gesagt, daß ich nach dem Filippowschen Hause wollte, und Sie haben ausdrücklich versichert, daß Sie es kennten. Wenn Sie wollen, können Sie mich morgen beim Friedensrichter belangen; jetzt aber bitte ich Sie, mich in Ruhe zu lassen.«
»Da! Da sind noch fünf Kopeken,« sagte Schatow, indem er hastig ein Fünfkopekenstück aus der Tasche nahm und es dem Kutscher hinreichte.
»Ich bitte Sie, tun Sie mir den Gefallen und geben Sie ihm nichts!« rief Madame Schatowa hitzig; aber der Kutscher trieb schon »den Wallach« an, und Schatow ergriff sie bei der Hand und zog sie ins Tor hinein.
»Schnell, Marja, schnell ... das sind ja alles nur Kleinigkeiten, und – wie naß du geworden bist! Nur sachte, hier geht es nach oben, – schade, schade, daß ich kein Licht habe, – die Treppe ist steil; halte dich nur recht fest an meiner Hand! Nun, da ist auch mein Zimmerchen! Entschuldige, daß hier kein Licht ist ... Sofort!«
Er hob den Leuchter auf; aber die Streichhölzer ließen sich noch längere Zeit nicht finden. Frau Schatowa stand wartend mitten im Zimmer, rührte sich nicht und schwieg.
»Gott sei Dank! Endlich!« rief er freudig und machte das Zimmer hell.
Marja Schatowa musterte die Behausung mit einem schnellen Blicke.
»Es war mir gesagt worden, daß Sie eine garstige Wohnung hätten; aber so habe ich es mir doch nicht gedacht,« sagte sie geringschätzig und ging zum Bette. »Ach, was bin ich müde!« fuhr sie fort und setzte sich kraftlos auf das harte Bett. »Bitte, legen Sie die Reisetasche hin, und setzen Sie sich selbst auf einen Stuhl! Übrigens können Sie meinetwegen auch da so vor mir stehen bleiben. Ich bin nur für kurze Zeit zu Ihnen gekommen, nur bis ich Arbeit finde; denn ich weiß hier gar nicht Bescheid und habe kein Geld. Aber wenn ich Sie geniere, so bitte ich nochmals: tun Sie mir den Gefallen und sprechen Sie das sofort deutlich aus, wie das ja auch Ihre Pflicht ist, wenn Sie ein ehrenhafter Mensch sind. Ich kann immer noch morgen etwas verkaufen und in einem Gasthause bezahlen; wollen Sie mich nur selbst nach einem Gasthause hinführen ... Ach, aber ich bin so müde!«
Schatow zitterte am ganzen Leibe.
»Nicht doch, Marja; du brauchst nicht in ein Gasthaus zu gehen! Was redest du von einem Gasthause! Wozu, wozu?«
Er faltete mit flehender Gebärde die Hände.
»Nun, wenn ich nicht ins Gasthaus brauche, dann muß ich auseinandersetzen, wie die Dinge liegen. Sie werden sich erinnern, Schatow, daß ich mit Ihnen in Genf zwei Wochen und einige Tage lang als Ihre Ehefrau gelebt habe; es ist jetzt schon drei Jahre her, daß wir uns getrennt haben, übrigens ohne besonderen Streit. Aber glauben Sie nicht, daß ich zurückgekehrt bin, um irgendeine der früheren Dummheiten zu wiederholen! Ich bin zurückgekehrt, um Arbeit zu suchen, und wenn ich gerade nach dieser Stadt gekommen bin, so ist das geschehen, weil mir alles ganz gleichgültig ist. Ich bin nicht gekommen, um
Weitere Kostenlose Bücher