Die Dämonen
ich dich keinen Schritt von hier weglassen, sondern dich geradezu der Polizei übergeben werde?«
Fedka sprang auf; seine Augen funkelten vor Wut. Peter Stepanowitsch griff nach seinem Revolver. Nun spielte sich schnell eine widerwärtige Szene ab: bevor Peter Stepanowitsch mit dem Revolver zielen konnte, hatte sich Fedka geschwind zur Seite gebogen und schlug ihn aus voller Kraft auf die Backe. Unmittelbar darauf erscholl ein zweiter furchtbarer Schlag, dann ein dritter, ein vierter, alle auf die Backe. Peter Stepanowitsch war betäubt; die Augen standen ihm weit auf; er murmelte etwas und fiel auf einmal der Länge lang zu Boden.
»Da habt ihr ihn; nehmt ihn!« rief Fedka, sich mit der Miene eines Siegers zu dem Zuschauer hinwendend, ergriff im Nu seine Mütze und sein unter der Bank liegendes Bündel und war verschwunden.
Peter Stepanowitsch röchelte bewußtlos. Liputin glaubte sogar, es hätte ein Totschlag stattgefunden. Kirillow kam Hals über Kopf in die Küche hinabgelaufen.
»Wir wollen ihn mit Wasser ...« rief er.
Er schöpfte mit einer Blechkelle Wasser aus einem Eimer und goß es ihm über den Kopf. Peter Stepanowitsch regte sich, hob den Kopf in die Höhe, setzte sich aufrecht und blickte gedankenlos vor sich hin.
»Nun, wie befinden Sie sich?« fragte Kirillow.
Der sah ihn starr an, immer noch ohne ihn zu erkennen; aber als er dann Liputin erblickte, der von der Küche aus hereinschaute, verzog er das Gesicht zu seinem gewöhnlichen häßlichen Lächeln, sprang plötzlich in die Höhe und hob den Revolver vom Fußboden auf. Ganz blaß stürzte er wütend auf Kirillow los.
»Wenn Sie sich einfallen lassen, morgen davonzulaufen wie der Schurke Stawrogin,« schrie er ihm stammelnd und die Worte nur undeutlich aussprechend zu, »so werde ich Sie am andern Ende des Erdballs aufhängen ... ich werde Sie zerquetschen wie eine Fliege ... merken Sie sich das!«
Er setzte ihm den Revolver gerade vor die Stirn; aber fast in demselben Augenblicke kam er endlich wieder vollständig zu sich, zog die Hand zurück, steckte den Revolver in die Tasche und rannte, ohne ein Wort weiter zu sagen, aus dem Hause. Liputin lief hinter ihm her. Sie krochen durch das frühere Schlupfloch hindurch und gingen wieder, sich am Zaune festhaltend, auf der Grabenböschung dahin. Dann schritt Peter Stepanowitsch schnell das Seitengäßchen entlang, so daß Liputin kaum nachkommen konnte. Bei der ersten Straßenkreuzung blieb er plötzlich stehen.
»Nun?« sagte er, sich mit herausfordernder Miene nach Liputin umwendend.
Liputin dachte an den Revolver und zitterte noch am ganzen Leibe in Erinnerung an die Szene, deren Zeuge er geworden war; aber unwillkürlich und unhemmbar kam ihm die Antwort über die Lippen:
»Ich glaube ... ich glaube, daß man doch nicht von Smolensk bis nach Taschkent mit solcher Ungeduld auf den Studenten wartet.«
»Haben Sie gesehen, was Fedka in der Küche trank?«
»Was er trank? Branntwein trank er.«
»Nun, so mögen Sie wissen, daß er zum letztenmal in seinem Leben Branntwein getrunken hat. Für Ihre weiteren Entschließungen empfehle ich Ihnen, daran zu denken. Jetzt aber scheren Sie sich zum Teufel; vor morgen brauche ich Sie nicht mehr ... Aber das sage ich Ihnen: machen Sie keine Dummheiten!«
Liputin eilte Hals über Kopf nach Hause.
IV.
Er hatte sich schon vor längerer Zeit einen Paß auf einen falschen Namen beschafft. Es ist ein befremdender Gedanke, daß dieser regulär lebende Mensch, ein kleinlicher Familientyrann, dabei Beamter (wenn auch Anhänger Fouriers) und endlich vor allen Dingen Kapitalist und Wucherer, daß der schon vor langer Zeit im stillen auf den phantastischen Einfall gekommen war, sich für alle Eventualitäten diesen Paß zu beschaffen, um mit dessen Hilfe nach dem Auslande zu entkommen, »wenn« ... Das Eintreten eines solchen Falles hielt er für möglich, wiewohl er selbst nie imstande war, genauer anzugeben, was dieses »wenn« eigentlich bedeuten konnte.
Aber jetzt hatte sich diese Bedeutung ganz von selbst und in völlig unerwarteter Weise ergeben. Die tolle Idee, mit der er bei Kirillow eingetreten war, nachdem ihm Peter Stepanowitsch auf dem Trottoir jenes Schimpfwort »Dummkopf« zu hören gegeben hatte, bestand darin, gleich am folgenden Tage frühmorgens alles im Stich zu lassen, dem Vaterlande den Rücken zu kehren und ins Ausland zu gehen! Wer es nicht glauben mag, daß solche phantastischen Dinge auch jetzt in unserer alltäglichen
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