Die Dämonen
etwas zu bereuen; tun Sie mir den Gefallen und bilden Sie sich nicht eine solche Dummheit ein!«
»O Marja, das brauchst du nicht zu sagen, das brauchst du gar nicht zu sagen!« murmelte Schatow undeutlich.
»Nun, wenn es so steht, wenn Sie so weit fortgeschritten sind, daß Sie auch das begreifen können, dann möchte ich noch hinzufügen, daß, wenn ich mich jetzt direkt an Sie gewandt habe und in Ihre Wohnung gekommen bin, ich dies zum Teil deswegen getan habe, weil ich immer der Ansicht gewesen bin, daß Sie ganz und gar kein Schuft, sondern vielleicht weit besser sind als die andern ... diese Schurken!«
Ihre Augen begannen zu funkeln. Sie mußte wohl von solchen »Schurken« viel Schlimmes erlitten haben.
»Und seien Sie, bitte, überzeugt: ich habe mich soeben durchaus nicht über Sie lustig machen wollen, wenn ich Ihnen sagte, daß Sie ein guter Mensch sind. Ich habe gerade herausgesprochen, ohne schönklingende Phrasen, die ich überhaupt nicht leiden kann. Aber das ist alles dummes Zeug. Ich habe immer gehofft, daß Sie genug Verstand besitzen, um nicht lästigerweise an einem festzukleben ... Ach, genug davon, ich bin so müde!«
Und sie sah ihn mit einem langen, gequälten, müden Blicke an. Schatow stand vor ihr, fünf Schritte von ihr entfernt, mitten im Zimmer und hörte mit schüchterner Miene, aber gewissermaßen neubelebt, mit einem bei ihm noch nie dagewesenen Leuchten auf dem Gesichte ihr zu. Dieser starke, rauhe Mensch, der immer etwas Widerhaariges hatte, war auf einmal ganz weich geworden und strahlte förmlich. In seiner Seele zitterte ein ungewohntes, ihm ganz unerwartetes Gefühl. Die drei Jahre der Trennung, die drei Jahre des Nichtbestandes seiner Ehe hatten aus seinem Herzen nichts zu verdrängen vermocht. Und vielleicht hatte er in diesen drei Jahren täglich an Marja gedacht, an das teure Wesen, das einstmals zu ihm gesagt hatte: »Ich liebe Sie.« Da ich Schatow gekannt habe, kann ich mit Sicherheit sagen, daß er es nie auch nur für denkbar gehalten hätte, daß eine Frau zu ihm sagen könnte: »Ich liebe Sie.« Er war keusch und schamhaft bis zur Wunderlichkeit, hielt sich für ein schreckliches Scheusal, haßte sein Gesicht und seinen Charakter und glaubte auf einer Stufe zu stehen mit jenen Mißgeburten, die auf die Jahrmärkte gebracht und für Geld gezeigt werden. Infolge dieser ganzen Anschauung schätzte er die Ehrlichkeit am allerhöchsten, hielt an seinen Überzeugungen mit einem wahren Fanatismus fest und war finster, stolz, jähzornig und wortkarg. Aber nun war dieses einzige Wesen, das ihn zwei Wochen lang geliebt hatte (das hatte er immer geglaubt!), dieses Wesen, das er hoch, hoch über sich stellte, obwohl er über die Verirrungen desselben durchaus nüchtern urteilte, dieses Wesen, dem er imstande war alles, alles vollständig zu verzeihen (das konnte überhaupt nicht die Frage sein; es lag sogar das Umgekehrte vor, so daß er selbst seiner Ansicht nach ihr gegenüber in allen Stücken im Unrecht war), diese Frau, diese Marja Schatowa, die war nun auf einmal wieder in seinem Hause und saß da wieder vor ihm ... es war beinah unfaßbar! Er war dermaßen überrascht, in diesem Ereignis lag für ihn so viel Furchtbares und gleichzeitig so viel Glück, daß er gar nicht zur Besinnung kommen konnte, es vielleicht nicht einmal wünschte, sondern sich davor fürchtete. Es war ihm wie ein Traum. Aber als sie ihn mit diesem gequälten Blicke anschaute, begriff er auf einmal, daß dieses so sehr geliebte Wesen litt, vielleicht unter einer schweren Kränkung. Das Herz zog sich ihm krampfhaft zusammen. Mit einem schmerzlichen Gefühle betrachtete er ihre Gesichtszüge: schon längst war von diesem müden Gesichte der Schimmer der ersten Jugend verschwunden. Hübsch war sie allerdings immer noch, und in seinen Augen immer noch wie früher eine Schönheit. (In Wirklichkeit war sie eine Frau von ungefähr fünfundzwanzig Jahren, ziemlich kräftig gebaut, von mehr als Mittelgröße und somit größer als Schatow, mit reichem, dunkelblondem Haar, blassem, ovalem Gesichte und großen, dunklen Augen, die jetzt in fieberhaftem Glanze funkelten). Aber an die Stelle der früheren leichtsinnigen, naiven, harmlosen Energie, die er so gut gekannt hatte, war bei ihr eine mürrische Gereiztheit, die Verdrossenheit der Enttäuschung, eine Art von Zynismus getreten, an den sie sich noch nicht gewöhnt hatte, und der ihr selbst peinlich war. Aber die Hauptsache war: sie war krank; das
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