Die Daemonenseherin
gerungen, unsicher, wie viel sie den beiden verraten sollte. Wenn sie ihr jedoch schon ihre Gastfreundschaft anboten und über den Dämon Bescheid wussten, war es nur fair, ihnen die ganze Geschichte zu offenbaren. Deshalb hatte sie ihnen erzählt, wie Logan am Tag nach dem Mord vor ihrer Tür gestanden und sie später herausgefunden hatte, dass er für die Behörde arbeitete. Sie erzählte von Susannahs Verschwinden und dass sie fürchtete, die Gemeinschaft könne sie in die Finger bekommen haben. Als sie schließlich fertig war, wussten Parker und Kent alles einschließlich der Tatsache, dass es sich bei Logan um den Bruder des Obersten Rates handelte, dem die Aufgabe zufiel, die entkommenen Probanden aufzuspüren und der Gemeinschaft zu überstellen.
»Du solltest diesem Behördenfuzzi künftig lieber aus dem Weg gehen«, meinte Parker, nachdem er seinen ersten Schock mit einem kräftigen Schluck Kaffee hinuntergespült hatte.
»Erst möchte ich herausfinden, was der Rat über die Experimente weiß.«
An dieser Stelle waren die beiden mit dem Vorschlag gekommen, ihr ein neues Handy zu besorgen und das alte zu vernichten.
Kent hob ihre Reisetasche vom Boden auf und drehte sich zu ihr herum. »Ich schätze, dann sind wir bereit zu verschwinden. Die Kündigung für die Wohnung kannst du bei uns am PC schreiben und abschicken.«
Das war eine gute Idee. Auf diese Weise konnte sie sich noch einige Tage Zeit lassen, um sich über die Zukunft klar zu werden. Dass sie nicht mehr hierher zurückkehren würde, war ihr bewusst, und zu ihrem Erstaunen verspürte sie einen Anflug von Bedauern. In dieser Wohnung zu bleiben war zu gefährlich geworden. Noch schwieriger, als das Zimmer zu verlassen, war das Wissen, dass sie sich gleichzeitig von Mr Farnsworth verabschieden musste. Sie hatte den alten Mann, der ihr nicht nur eine Wohnung und einen Job, sondern auch seine Freundlichkeit gegeben hatte, ins Herz geschlossen. Er würde ihr fehlen.
Am Ende würde er eine Vermisstenanzeige aufgeben, wenn sie nicht zur Arbeit erschien und weder in ihrer Wohnung anzutreffen noch telefonisch zu erreichen war. Sie zog ihr Handy aus der Tasche. »Ich muss nur noch schnell meinen Chef anrufen und mich abmelden.«
Sie wählte im Telefonverzeichnis Mr Farnsworths Nummer aus und wartete auf das Klingeln. Es dauerte nicht lange, bis sich der alte Mann meldete. Alessa erzählte ihm, dass sie zu ihrer plötzlich erkrankten Tante nach London fahren müsse. Sie bat ihn um ein paar Tage Urlaub und war nicht überrascht, dass er sie ihr genehmigte. Mr Farnsworth gehörte zu den Menschen, die stets Verständnis für die Probleme anderer hatten, und versuchte zu helfen, wo er nur konnte.
Es war ein kurzes Gespräch, in dem kein Raum für Abschied oder den Dank war, den er verdiente – tatsächlich fühlte sie sich, als würde sie seine Hilfsbereitschaft mit Füßen treten. Sie konnte nur hoffen, dass er ihr Verhalten nicht zum Anlass nahm, den Menschen künftig mit mehr Argwohn und weniger Selbstlosigkeit zu begegnen.
Sie stieß einen Seufzer aus, dann nickte sie. »In Ordnung, wir können gehen.«
Parker legte ihr eine Hand auf die Schulter. »Keine Sorge, jetzt wird alles besser.«
Alessa drehte sich zu ihm herum und versuchte sich an einem Lächeln. »Ich hoffe, du hast recht.«
»Klar hat er das«, mischte sich Kent grinsend ein. »Der Typ ist so ein Klugscheißer, dass er immer recht hat. Wenn es also einer weiß, dann er.«
Diesmal musste sie wirklich lachen. Parker und Kent zu begegnen war das Beste, was ihr während der letzten Jahre passiert war. Es tat gut, wieder Menschen um sich zu haben, vor denen sie sich nicht verstellen musste. Menschen, denen sie nicht nur vertrauen, sondern denen sie sich auch an vertrauen konnte. Umso bedauerlicher war es, dass ihr Gastspiel bei den beiden schon bald beendet sein würde.
»Sag mal, Mädel«, sagte Parker da, »kennst du dich eigentlich mit Buchhaltung und Bürokram aus?«
»Die Grundlagen kriege ich sicher gebacken, warum?« Alessa zog eine Augenbraue in die Höhe. »Ihr macht doch wohl keine Steuererklärung, oder?«
Parker grinste. »Ich dachte eher, dass wir in unserem Laden noch jemanden brauchen könnten, der sich mit diesem ganzen Krempel auskennt.«
»Manchmal hat er doch ganz brauchbare Ideen«, brummte Kent hinter ihm. »Es wird natürlich noch ein Weilchen dauern, bis wir den Laden endlich eröffnen können – und wir sind uns nicht so ganz einig, in welcher Stadt das sein
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