Die Daemonenseherin
einmal mehr auf die private Ebene brachte, überraschte Logan. Devon war so sehr am Wohlergehen seiner Seher interessiert, dass er nicht den Eindruck erweckte, als würde ihn die Vergangenheit noch interessieren. »Ich hätte dort nicht länger leben können, Logan.«
»Dieses dort war dein Zuhause. Der Ort, an dem du zehn Jahre lang gelebt hast! Und plötzlich hast du uns nicht mehr ertragen?«
»Das ist Quatsch, Logan«, widersprach sein Bruder. »Das alles hatte doch nichts mit dir oder Mom und Dad zu tun. Wenn es nur um euch gegangen wäre … Hast du mich je mit anderen Kindern gesehen?«
Logan schüttelte den Kopf.
»Und weißt du auch warum?«, hakte Devon nach und gab die Antwort gleich selbst: »Mit einem wie mir wollten sie nichts zu tun haben. Ich war anders und das wäre ich dort immer gewesen – auch als Erwachsener.«
Devon war immer für ihn da gewesen – deshalb hatte sein Weggang Logan so sehr geschmerzt. Natürlich war ihm aufgefallen, dass Devon nie mit anderen Kindern spielte, er hatte jedoch geglaubt, dass sein Bruder seine Zeit lieber mit ihm verbrachte als mit anderen. Warum hatte er nie gesehen, dass sie ihn mieden? Weil du es nicht sehen wolltest. Er war viel zu sehr damit beschäftigt gewesen, Devon für seinen Weggang zu verfluchen, dass er sich nie gefragt hatte, wie es für einen Jungen mit seinen Fähigkeiten in einer normalen Umgebung gewesen sein mochte.
Für sie war ich ein Monster und würde es immer bleiben, hatte Alessa über ihre Eltern gesagt. Womöglich war es Devon ähnlich ergangen. Nicht mit Mom und Dad; die hatten ihren Ältesten abgöttisch geliebt und waren an seinem Weggang zerbrochen, aber mit seinem weiteren Umfeld. Mitschüler, Nachbarn, Verwandte. Es hatte immer argwöhnische Blicke von Onkeln und Tanten gegeben und manchmal waren Scheiben zu Bruch gegangen. »Spielende Kinder«, hatte sein Vater immer gesagt. Aber womöglich steckte mehr dahinter – Menschen, die Devons Fähigkeiten fürchteten und jemanden wie ihn nicht in ihrer Nähe haben wollten.
All diese Hinweise waren immer da gewesen, doch er hatte immer nur gesehen, dass Devon sie verlassen hatte. Das Warum hatte ihn nie interessiert.
»Du hättest uns besuchen können.«
»Das hätte ich wohl«, gab Devon ihm recht. »Ich dachte nur, es wäre einfacher, wenn ihr nicht ständig daran erinnert werdet, dass es mich gibt.«
»Sehr umsichtig von dir«, schnappte Logan. »Mom hätte sich bestimmt nach jedem Besuch von dir die Augen ausgeheult – so hat sie es jeden Tag getan. Definitiv besser.«
Obwohl Logan verstand, warum Devon es getan hatte – auch wenn er das Vorgehen seines Bruders für kurzsichtig hielt –, brachte er es nicht über sich, die Vergangenheit abzuschütteln. »Lassen wir das.« Ohne dass er sein Bier angerührt hatte, stand er auf und griff nach seiner Jacke. »Dein Seher soll sich morgen früh um zehn im Hauptquartier melden. Ich sorge dafür, dass sich jemand um ihn kümmert.«
13
A ch du Scheiße«, murmelte Parker, als er hinter Alessa ihre Wohnung betrat und die Kartons musterte, die sich im Gang stapelten. »Auf einer Briefmarke ist mehr Platz als hier.«
Kent drängte sich an den beiden vorbei. Im Zimmer blieb er stehen und drehte sich einmal um die eigene Achse. »Das ist ein Wohnklo, aber keine Wohnung. Gut, dass du jetzt zu uns kommst.«
»Es ist um einiges geräumiger als ein Isolationstank.«
Alessas Worte erstickten alle weiteren Scherze der beiden im Keim, doch die Betroffenheit, die sich plötzlich in ihren Gesichtern zeigte, gefiel ihr weit weniger als das inzwischen gewohnte Grinsen. Es war nicht ihre Absicht gewesen, Mitleid zu erwecken, sie hatte lediglich das plötzliche Bedürfnis verspürt, die kleine Wohnung zu verteidigen, die ihr während der letzten Jahre Schutz und Zuflucht geboten hatte.
»Nun ja«, Parkers Grinsen kehrte zurück, als er sich weiter umsah, »auch wenn wir es hier also mit einer Nachbildung des Thronsaals aus dem Edinburgh Castle zu tun haben, finde ich, dass du bei uns trotzdem besser aufgehoben bist.«
»Unbedingt«, stimmte Kent ihm zu und deutete in den Raum. »Ich meine, wer hält all diesen Luxus hier auf Dauer aus? Es wird wirklich höchste Zeit, dass du in ein normales Spießbürgerhaus ziehst und das einfache Leben kennenlernst, ehe du völlig verwöhnt und verzogen bist.«
»Ein bisschen Demut kann mir vermutlich nicht schaden«, grinste Alessa, froh darüber, dass die beiden ihre Betroffenheit so schnell
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