Die Daemonenseherin
wiederfand.
Sie krallte ihre Finger in den Kragen seiner Jacke und trat mit den Füßen nach ihm. Der Maskierte gab keinen Ton von sich. Um ihn herum war es so still, dass Alessa sich fragte, ob er überhaupt atmete. Natürlich tat er das! Sein Brustkorb hob und senkte sich, und dort, wo ihr Hals in der Nähe der Mundöffnung seiner Maske war, spürte sie seinen heißen Atem, der ihre Haut zu versengen schien. Mit der freien Hand griff er nach ihr und packte sie beim Arm, dann hob er die Waffe. Alessa trat und schlug schreiend auf ihn ein in der Hoffnung, ihm zu nah zu sein, sodass er keinen Schuss wagen würde, um sich nicht selbst zu verletzen.
Er schoss nicht.
Stattdessen schlug er mit der Pistole nach ihrem Gesicht. Alessa riss den Kopf zur Seite, wich seinen Attacken aus. Einmal. Zweimal. Dreimal. Beim vierten Mal knallte der Griff gegen ihre Schläfe. Ihre Hände rutschten von seinem Kragen. Er verstärkte den Griff um ihren Arm und schleuderte sie von sich.
Sie prallte mit dem Rücken gegen den Türstock und ging auf der Schwelle zum Wohnzimmer zu Boden. Der Aufprall riss ihr den Atem aus den Lungen und erstickte ihren Schrei. Neblige Dämmerung breitete sich vor ihren Augen aus. Sie schüttelte heftig den Kopf, um sie zu vertreiben, das Blut ignorierend, das warm und klebrig von der Schläfe über ihre linke Gesichtshälfte rann. Als sich ihre Sicht wieder klärte, sah sie, wie der Maskierte auf sie zukam. Im Vorübergehen schlug er Kent, der sich gerade auf die Beine kämpfte, die Waffe gegen den Schädel und nahm seinen Blick nur lange genug von Alessa, um sich zu überzeugen, dass der Seher keine Gefahr darstellte.
Auf allen vieren kriechend zog sich Alessa weiter in den Wohnraum zurück. Ihre Hände ertasteten ihre Tasche, die sie packte und nach ihrem Verfolger warf, der einen schnellen Schritt zur Seite machte. Mit einem dumpfen Schlag fiel die Tasche neben ihm zu Boden, ohne Schaden anzurichten.
Dann schoss er.
Alessa warf sich um die Ecke und krabbelte auf die Küchenzeile zu. Wenn es ihr gelang, ein Messer zu fassen zu bekommen … Was soll das bringen? Messer gegen Pistole. Geübter Killer gegen verängstigte Frau. Nicht gerade ein Sinnbild für Chancengleichheit.
Sie kämpfte gegen die Panik an, die erneut in ihr aufzusteigen drohte. Wenn sie jetzt die Fassung verlor, war das ihr Todesurteil.
Der Killer richtete seine Waffe auf sie. Dunkel starrte ihr der Lauf entgegen, kalt und bar jeden Lebens.
Während er langsam näher kam, richtete Alessa ihre Aufmerksamkeit nach innen. Sie brauchte ihre Gabe, sonst waren sie alle verloren. Aber sie musste sie gezielt einsetzen, ohne den Dämon dabei freizulassen. Die Schutzschilde mussten um jeden Preis halten!
Wenn ihre Kräfte aus ihr herausbrachen wie in der Wohnung des Professors, wäre es um sie geschehen. Noch einmal würde sie die Mauern bei einem derartigen Ausbruch nicht halten können.
Der Schatten des Maskierten legte sich über sie.
Alessa senkte ihre Schutzschilde gerade weit genug, um auf die gebündelte Energie zugreifen zu können, die sie dahinter erwartete.
Die Kräfte durchströmten einen Teil ihres Geistes, während der andere Teil den Dämon zurückdrängte, der rasend vor Zorn und Hunger gegen die Mauern anstürmte, die ihn gefangen hielten.
Du musst ihn halten! , beschwor sie sich selbst.
Im Augenblick konnte sie es, doch sobald sie ihre Energie freiließ, würde er sich daran laben und weiter an Stärke gewinnen. Ob sie ihm dann noch gewachsen wäre, würde sich zeigen.
Als der Maskierte über ihr stehen blieb und die Pistole auf sie richtete, ballte sie ihre Kräfte und verpasste ihm einen mentalen Stoß, der ihn quer durch den Raum taumeln ließ. Ein weiterer Stoß entriss ihm die Waffe, und ehe er danach greifen konnte, ließ Alessa sie in ihre Hand fliegen. Sie wog schwer, weit schwerer, als sie vermutet hatte.
Der Maskierte hatte sich gefangen und war an der Tür zum Flur zum Stehen gekommen. Alessa richtete die Waffe auf ihn. Sie wusste, sie sollte schießen und dafür sorgen, dass er niemandem mehr etwas antun konnte, doch die Vorstellung, ein Leben auszulöschen, auch wenn es das eines Mörders war, ließ ihre Hand zittern.
Der Maskierte tat einen Schritt auf sie zu, und Alessa war sicher, dass er unter seiner Sturmhaube lächelte. Er amüsierte sich über ihre Unfähigkeit, ihm etwas anzutun. Ein Unvermögen, das sie selbst jetzt noch das Leben kosten konnte!
Nein!
Ihre Augen mussten ihre Entschlossenheit
Weitere Kostenlose Bücher